Man macht sich über sich selbst Gedanken
SALZBURG MUSEUM / ANSCHLUSS, KRIEG & TRÜMMER
08/03/18 Mit der aktuellen Ausstellung „Anschluss, Krieg & Trümmer“ leistet das Salzburg Museum nicht nur einen großen Beitrag zur Aufarbeitung der eigenen Geschichte und zeigt, dass diese Arbeit keineswegs abgeschlossen ist. Man räumt auch den persönlichen Erinnerungen einen zentralen Platz ein.
Von Verena Resch
Ein Gedenkjahr, wie es 2018 für Österreich ist, sei stets Anlass zum „Gedenken und Erinnern, aber auch Feiern und Jubilieren“, so Martin Hochleitner, Direktor des Salzburg Museum, bei der Presseführung durch die neue Sonderausstellung „Anschluss, Krieg & Trümmer“. Für das Salzburg Museum selbst war 2018 vor allem Anlass, sich mit der eigenen Geschichte auseinanderzusetzen und diese aufzuarbeiten.
Es ist gar nicht so wenig, was man sich für diese Ausstellung vorgenommen hat: Nicht nur der Verlauf des Zweiten Weltkrieges soll nachgezeichnet werden, auch der Umgang mit der eigenen Geschichte nach 1945 ist Thema sowie – und das ist der Kerngedanke – die Rolle des Salzburg Museums in den Jahren 1938 bis 1945. Als Parcours führt sie die Besucher chronologisch durch jene Zeit. Jeder Einzelabschnitt ist einem Jahr gewidmet. So können historische Daten und Fakten zur Geschichte nachgelesen werden und man bekommt Informationen zu mehr oder weniger vertrauten Schaustücken aus dem Museum: Gezeigt werden etwa Geschenke aus der Sammlung des Museums an Hermann Göring und Adolf Hitler, zu welchen das Gemälde „Der Sonntagsspaziergang“ von Carl Spitzweg gehörte. "Wirklich außergewöhnlich" sei die Tatsache, so Martin Hochleitner, dass dieses Gemälde, aber auch andere Objekte, später wieder ins Museum zurück kamen. Zu sehen ist aber etwa auch ein Stein aus der Stadtautobahn mit eingemeißeltem Reichswappen.
Auch Ausstellungsprojekte und programmatische Schwerpunkte während der Kriegsjahre sind ein Thema. Hier wird besonders der Einfluss der politischen Verhältnisse deutlich, standen diese Projekte doch stark unter dem Zeichen der Rassenideologie. Das Jahr 1941 nutzte man beispielsweise, um Mozart und Paracelsus anlässlich ihrer Todestage als Symbole eines deutschen Kulturerbes zu instrumentalisieren. Filmausschnitte aus „Salzburg, die Mozartstadt“ (1939), „Anton der Letzte“ (1939), „Wen die Götter lieben …“ (1942) und „Paracelsus“ kann man in der Ausstellung sehen. Mozart, Salzburger Festspiele, die historische Stadt und die alpine Landschaft waren alleweil tauglich für Propaganda.
Anschaulich gemacht wird zugleich, dass viele der Objekte, die in der Zeit zwischen 1938 und 1945 in den Besitz des Museums gelangten, aus beschlagnahmten jüdischen Sammlungen stammten. Die Sammlungstätigkeit des Museums profitierte also von nationalsozialistischen Beschlagnahmungen. Obwohl das Museum in den letzten Kriegstagen durch Bombardierungen massiv getroffen wurde und tatsächlich in Trümmern lag, überlagerte die Betonung des Wiederaufbaus nach 1945 jegliche kritische Auseinandersetzung mit der eigenen Institutionsgeschichte in den fraglichen Jahren.
Im Abschluss beschäftigt sich die Ausstellung mit der Zeit Wiederaufbaus und der Aufarbeitung der eigenen Vergangenheit, die bis in die heutigen Tage reicht. Zwar wurden von den Alliierten, speziell den britischen und US-amerikanischen Besatzungsmächten, bereits erste Provenienzforschungen angestellt und die Restitution von Objekten veranlasst. Jahrzehntelang wurden diese Forschungen jedoch nur punktuell betrieben, erst seit 2011 betreibt das Salzburg Museum eine systematische Provenienzforschung. Im Zentrum stehen Werke aus „arisierten“ Sammlungen sowie aus Kloster- und Kircheneigentum. So konnten auch heuer einige Werke identifiziert und Restitutionsverfahren zugeführt werden. Susanne Rolinek, die in ähnlicher Funktion schon im Museum der Moderne tätig war, kümmert sich um diese Dinge. Von ehemals im Salzburg Museum befindlichen Werken aus „arisierten“ Sammlungen wie z.B. Oscar Bondy, Albert Pollak sowie Alphonse und Louis Rothschild waren bis Mitte der 1950er Jahre ca. 80 Prozent restituiert worden. Ein Teil jener 20 Prozent, die noch nicht rückgestellt wurden, konnte nun identifiziert werden und wird im Jahr 2018 Restitutionsverfahren zugeführt
Ergänzt wird die Sonderausstellung durch den interaktiven Vermittlungsraum „Studio Geschichte“, in welchem das persönliche Erinnern im Mittelpunkt steht. Dreizehn sogenannte „Geschichtenkuriere“ im Alter von 19 und 104 Jahren wurden eingeladen, ein Objekt auszuwählen, das für sie in Bezug auf die Zeit 1938 bis 1945 wichtig ist. Der mit dem dreistelligen Alter ist natürlich Marko Feingold. Er wählte einen Morgenmantel aus – sein erstes Stück Eigentum nach Jahren der Entbehrung: „Es ist für mich auch ein Stück Reichtum und Geborgenheit.“