Von Schrebergärtnern und Unmut-Sängern
KUNSTVEREIN / PARTIZIPATION. POLITIK DER GEMEINSCHAFT
21/04/10 Die ganz Hartgesottenen werden sich von dem Ausstellungstitel „Partizipation. Politik der Gemeinschaft“ nicht abschrecken lassen. Den anderen, weniger Wagemutigen sei gleich vorweg gesagt: Ganz so schlimm ist es nicht. Es hat mit Menschen zu tun – mit solchen, die etwas bewirkt haben, oder zumindest versucht haben, etwas zu verändern auf dieser Welt.
Von Reinhard Kriechbaum
New Yorker Schrebergärtner zum Beispiel. Sie haben Brachland in Slumgegenden in Gemeinschaftsgärten verwandelt und sich ihre kleine Idylle geschaffen, eine Chlorophyll-Utopie verwirklicht. Das hat vielleicht nicht ganz das Format der USA-Weltpolitik, aber auf die Einzelnen psychohygienisch positive Auswirkungen. Ruth Kaaserer, eine junge österreichische Künstlerin, hat dort fotografiert und mit den Hobbygärtnern gesprochen – und daraus ist eine Diaschau mit Tonspur geworden.
Nicht alle Leute begnügen sich damit, den Garten umzugraben, wenn sie mit der Welt als solcher unzufrieden sind. Tellervo Kalleinen und Oliver Kochta-Kalleinen hatten die Idee, „Beschwerdechöre“ ins Leben zu rufen. Da wird das Schimpfen ins Singen transformiert. Die Sache hat sich als international gut verwertbar herausgestellt, auch in Wien gibt es einen solchen „Beschwerdechor“. Er wird heute, Mittwoch (21.8.), zur Vernissage um 19 Uhr im Künstlerhaus auftreten. Vielleicht bietet sich die Möglichkeit zu einem improvisierten Gstanzl: Man könnte zum Beispiel davon singen, dass Ausstellungen nicht nur Gedanken und theoretischen Unterbau brauchen, sondern auch einen Titel, der lockt. Wie wäre ein solcher zu finden? Vielleicht, indem man ein solches Thema angeht, möglichst ohne sich irgendwo hoffnungslos in der Kunst- und Politik-Theorie zu verheddern.
Das Thema wäre lohnend: Menschen engagieren sich politisch, Künstler beobachten das, machen aus dem Material/mit den Menschen/aus den Ideen engagierter Leuten Kunstwerke, die eben das Gemeinschaftliche ansprechen. Das könnte man ohne weiteres vermitteln, ohne zu Dutzenden erklärungsbedürftige Fremdworte zu gebrauchen. Diesen Kunst-Ansatz im Jahr 2010 ohne Twitter und Facebook abzuhandeln, ist beinahe schon sträfliches Missachten der Lebensrealität. Es sollte doch „echt“ menscheln, gerade wenn von Teilnahme (ein schönes Wort für Partizipation) und „Politik der Gemeinschaft“ die Rede ist.
In den Kunstwerken – meist Videoarbeiten – menschelt es durchaus. Man sollte also mit Mut und Forschergeist in die Ausstellung gehen. Was die Künstlerinnen und Künstler erzählen, ist aufschlussreich. Da ist einer, der historische Begebenheiten nachspielen ließ („Reenactment“ heißt der Fachbegriff). Herausgekommen sind in dem Fall nicht die Pradler Ritterspiele, sondern ein Video vom Clash zwischen britischen Minenarbeitern und der Polizei 1984. Eine andere Künstlerin hat in Istanbul Leute aufgefordert, Briefe an ehemalige Liebhaber oder Liebhaberinnen öffentlich vorzutragen, an belebten Straßenzügen. Eine verschrobene Idee in der Facebook-Ära!
Aber den Vogel schießt der Salzburger Severin Weiser ab: „Panic Proof/Krisenfest“ heißt sein Kunstwerk, das er in die Wand eingemauert hat. Ein echter Geld-Wert angeblich. Die Besucher werden Hammer und Meißel brauchen, um sich dorthin vorzuarbeiten. Gleich am Vernissageabend kann die Schürfarbeit beginnen. Sie wird hoffentlich nicht zu sehr an der Substanz des Künstlerhauses nagen.
Wer unbedingt nach dem kunst-historischen Unterbau sucht: „Kunst als kreative Zusammenarbeit“ haben im Studio Catalin Georghe und Christian Nae zum Thema gemacht. Da ist von einer Zeittafel bis zur collageartigen Aufbereitung einzelner initiativen alles beisammen. Ob vollständig oder in Auswahl, ob nüchtern-sachlich oder tendenziös: Wer wollte das beurteilen?