Nitsch gegen Walde, unentschieden
KUNSTMESSE ART&ANTIQUE
31/03/23 Wenn man's nicht wüsste, dann könnte man sich's denken. Hermann Nitsch ist gestorben, vor ziemlich genau einem Jahr. Aber aus diesem traurigen Anlass tanzen die Kunsthändler. So unendlich viel Nitsch wie wie diesmal hat man auf der Messe Art&Antique, bis 10. April in der Salzburger Residenz, noch nie gesehen.
Von Reinhard Kriechbaum
Man hat den Eindruck, dass jeder Aussteller, in welchem Kunstbereich auch immer der Schwerpunkt sonst liegt, die hintersten Depotwinkel nach Nitsch durchsucht hat. Fast alle sind fündig geworden. So kann man bei einem Rundgang durch Art&Antique prüfen, was der Kunst-Unternehmer Nitsch schüttkübelweise auf den Kunstmarkt befördert hat. Auch der Galerist Herbert Giese – der Stand von Giese&Schweiger ist wie immer ein Highlight, gleich beim Eingang – sieht diese Nitsch-Überschwemmung mit einem gewissen Stirnrunzeln. Er ortet eine gewisse Inflation und nicht so furchtbar viel Qualitätsbewusstsein (sowohl auf Käufer- als auch auf Galeristenseite). Giese weiß, wovon er spricht, immerhin ist er seit 1973, also seit fünfzig Jahren in dem Geschäft. Das Firmenjubiläum ist übrigens übermorgen, Giese verbringt es also in Salzburg. Die Kunstmesse in der Residenz ist noch nicht ganz so alt, es ist die sechsundvierzigste.
Womit fängt Giese die Blicke potentieller Kunden? Mit einem Waldmüller und einem Salzburg-nahen Motiv aus der Ramsau bei Berchtesgaden, und mit einem Landschaftsbild von Franz Steinfeld, einem Blick vom Heuberg hinunter auf Salzburg. Und, ein extremes Kleinformat, mit einem hübschen Bild von einem Eisenbahnzug, der durch die südmährische Biedermeierlandschaft fährt. Rudolf von Alt hat dieses Eisenbahnbild schon 1838 schon gemalt, ein Jahr zuvor wurde die Bahnlinie eröffnet. Drei Biedermeier-Facetten österreichischer Kunst.
Ein paar Schritte weiter hat Wienerroither&Kohlbacher auch viel Österreichisches hängen, als Blickfang eine großformatige Arbeit von Max Weiler, aber auch etwas Selteneres von dem Tiroler. Die schwebende Erde (1986) ist eine 3-D-Arbeit. Auch diese Galerie feiert heuer übrigens Jubiläum, vor dreißig Jahren wurde sie in Wien gegründet, seit zehn Jahren gibt es eine Niederlassung in New York. Zeichnungen von Klimt und Schiele gehören bei vielen Ständen quasi seriernmäßig dazu, Wienerroither&Kohlbacher hat aber mit dem Aquarell Kniender Akt etwas Besonderes anzubieten. „So was liegt preislich bei über einer Million“, heißt es. Gleich gegenüber bietet die Galerie bei der Albertina eine Klimt-Zeichnung an, unauffällig, aber gewichtig, eine Vorzeichnung für die Wasserschlangen, 1907.
Alfons Walde, das ist in einem Nicht-Nitsch-Jahr bei der österlichen Kunstmesse immer ein Thema. Auch da gilt es, genau zu schauen, will man sich nicht quasi in der winterlich-kitzbühlerischen Dutzendware verlieren. Walter Freller benennt stolz einige „ausgefallene Sachen“ und zeigt auf eine Wirtshausstube. Dieses Gemälde war bis jetzt in Familienbesitz, und eine Enkelin von Alfons Walde hat es nun angeboten, „weil sie eine Wohnung kaufen möchte“, erzählt der Galerist. Das geht sich preislich pari aus. Freller zeigt eine Zeichnung von Klimt, eine Arbeit aus der Studienzeit. Das seltene Blatt sei „fünfzig Jahre in einem Tresor gelegen“, weiß Freller.
Bleiben wir doch noch kurz bei Alfons Walde (das Kunstmessen-Match zwischen ihm und Nitsch dürfte remis ausgehen). Es müssen nicht unbedingt Schneelandschaften und knorrige Tiroler sein. Bei Runge entdeckt man ein Liebespaar (Tuchent statt Schneedecke!) und Drei Grazien. Da käme man gar nicht spontan auf Walde.
Es gibt echte Solitäre bei Art&Antique, Franz Schauer aus Krems etwa. Er ist seit gefühlt ewigen Zeiten dabei. Einer, der sich nicht einengen lässt – aber „Sammelsurium“ traute man sich bei so vielen qualitätvollen und charismatischen Dingen nicht zu sagen. Schauer steht schwärmend vor einem steinernen Taufbecken aus Frankreich aus dem 12. Jahrhundert. Und mit leuchtenden Augen führt er einen Bauernschrank Salzburger Provenienz vor, ein rares Ding mit integriertem Uhrkasten.
Möbel ganz anderer Art: Bureau Mazarin ist ein intarsierter Schreibtisch, Schildpatt und Messing, von einem der namhaftesten Kunsttischler am Hof Ludwigs XIV. (bei Franke). Eine astronomische Telleruhr wurde 1690 von Kaiser Karl VI. in Auftrag gegeben. Die Metallarbeit zeigt die damals bekannten vier Erdteile. Der Kaiserthron steht für Europa (bei Lilly's Art).
Nicht vorenthalten wollen wir unseren Leserinnen und Lesern aus dem reichlichen Pressematerial zur Kunstmesse den Hinweis auf die Nachhaltigkeit. Die Branchengemeinschaft „The Antique Trade“ hat eine Studie in Auftrag gegeben, und eine historische Kommode mit einem neuen Erzeugnis verglichen. Siehe da – der Öko-Fußabdruck des alten Stücks ist gleich sechzehn Mal geringer. Also doch lieber auf der Art&Antique einkaufen anstatt bei Ikea? Immerhin gibt’s sogar Picassos schon um schlappe 38.000 Euro. Freilich nur Druckgraphiken.
Art&Antique, bis 10. März in der Salzburger Residenz – www.artantique-residenz.at
Bilder: dpk-krie