Vergnügen und Nachdenklichkeit
SALZBURGER STRASSENTHEATER / LUMPAZIVAGABUNDUS
17/07/15 Klaus Gmeiner setzt mit Nestroys „Lumpazivagabundus“ einen würdigen Schlusspunkt seiner langjährigen Arbeit für das Salzburger Straßentheater.
Von Werner Thuswaldner
Das ist wieder Volkstheater im besten Sinn, vor allem mit hohem Unterhaltungswert. Dieses niederschwellige Theater erreicht auch Publikumsschichten, die ansonsten den diversen Kultureinrichtungen fernbleiben. Damit das gelingt, bedarf es der richtigen Stückwahl und einer zugkräftigen Darbietungsweise. Wie das funktioniert, führt der Leiter des Straßentheaters, Klaus Gemeiner, auch diesmal vor. Und mit Nestroys „Lumpazivagabundus“ gelingt es ihm zu hundert Prozent. Er setzt damit einen glanzvollen Schlusspunkt seiner äußerst erfolgreichen Arbeit für diese Kulturinstitution seit 1985. Klar, dass damit auch Wehmut verbunden ist.
Als erstes bewährt sich sein Geschick und seine Sensibilität bei der „Einrichtung“ des Stücks. Es in seinem ganzen Umfang aufzuführen, würde die für da Straßentheater sinnvolle Aufführungsdauer sprengen. Also muss gekürzt werden. Klaus Gemeiner weiß, wie vorzugehen ist. Er schuf eine eigene Fassung der Nestroy-Vorlage: Lumpazi, ein unsolider, spielsüchtiger Geselle, führt durch das Stück, taucht in kleinen Nebenrollen auf und lenkt in gewisser Weise die drei glücklosen Handwerksgesellen, den Schuster Knieriem, den Tischler Leim und den Schneider Zwirn durch das turbulente Geschehen.
Es verlangt eine präzise Personenführung, damit die Darsteller mit dem knapp bemessenen Platz auf dem Thespiskarren zurechtkommen. Dass es mit dem raschen Wechsel der Schauplätze klappt, dafür sorgt auch diesmal die phantasievolle Ausstattung Bernd Dieter Müllers. Diesmal zeigt er ein personenreiches Biedermeier-Gemälde, in das auch Nestroy persönlich integriert ist, und scheinbar ohne Schwierigkeiten lassen sich ein Gasthaus, ein Prager Salon, die Wohnung eines reichen Tischlers und andere Örtlichkeiten herbeizaubern.
Eine wichtige Voraussetzung für den großen Publikumserfolg ist jedes Mal die Zusammenstellung des Ensembles, die Besetzung der Rollen mit starken Typen. Dies trifft nicht nur auf das Handwerkertrio – Peter Josch als Knieriem, Peter Buchta als Leim und Leo Braune als Schneider – zu, sondern ebenso auf die vielen kleineren Rollen bis hin zum böhmischen Dienstmädchen (Maria Astl) und etwa die Damen, die sich in einem urkomischen Quodlibet bewähren (Christine Kain, Kerstin Raunig). Aber auch der Wirt (Horst Eder) ist ein einprägsamer Charakter, ebenso Geza Terner, der sich als Fädenzieher Lumpazi bewährt.
Die Aufführung bietet vor allem Vergnügen – einen Beitrag dazu leistet u.a. Walter Müller mit textlichen Kostbarkeiten – und es gibt viel zu lachen. Man hat es aber nicht mit einem bloß oberflächlichen Gaudium zu tun. Es gibt sehr wohl Momente, da man glaubt, ein Sozialdrama vor sich zu haben. Sind nicht die Handwerker – mit Ausnahme des Tischlers – bedauernswerte Teufel, die mit dem Glück, das ihnen in den Schoß fällt, nichts anfangen können und dazu bestimmt sind, außerhalb der Gesellschaft zu bleiben?
Daher bietet die Aufführung außer Vergnügen auch Anstöße zur Nachdenklichkeit. Und das macht ganz wesentlich ihre Qualität aus.