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Macho aus dem Wien-Museum

LANDESTHEATER / ANATOL

23/03/15 Einen ganzen Abend lang das Geseiere eines beziehungs-unfähigen und selbst-verliebten Machos anhören zu müssen, das verlangt viel Geduld von der p.t. Zuschauerin. Das verlangt starke schauspielerische Momente, soll es überhaupt erträglich sein. Sascha Oskar Weis ist der verletzliche und gar nicht unsympathische „Anatol“ in Michael Gampes Inszenierung des Schnitzler-Klassikers.

Von Heidemarie Klabacher

Die Damen hinterlassen getrocknete Blumen, Haarlocken, süße Billetts – und Regenschirme. Zwei weiße, ein blauer, ein scharlachroter Regenschirm zieren nach zwei Stunden dreißig die Bühne. Die letzte Dame vergisst Hut und Schleier. Der Salon Anatols, untadelig großbürgerlich mit Sofa und Klavier, ist vom Grunde her eine sanft gewellte Wüstenlandschaft, auf die es von oben herab unablässig schneit. Einzelne Flocken im Minutenabstand oder malerisches Schneetreiben, das wechselt. Wüstensand und Schneeflocken?

Steht die Ausstattung von Christine Brandi für die Unvereinbarkeit von Mann und Frau? Für die zwei Seelen Liebessehnsucht und Liebesunfähigkeit, die – ach - in Anatols Brust brennen? Die Figur des Anatol repräsentiert Arthur Schnitzlers eitlen Melancholiker wie kein Zweiter in den einstmals so kontrovers diskutierten Dramen. Man kann schon psychologisieren. Aber will man?

Das Stück „Anatol“ besteht aus einer Folge jeweils eigenständiger Einakter, in denen Anatol seinem Freund Max vor- und je ein Erlebnis mit einer Frau in allen Facetten be-jammert. Zum Psychologisieren und Männerverstehen (wollen), laden Inszenierung und Personenzeichnung von Michael Gampe allerdings nicht wirklich ein.

Dass Schnitzler geradezu archetypische Figuren in die Literatur eingeführt hat, ist sein Verdienst. Wer würde sie missen wollen, den ehrpusseligen Leutnant, das süße Mädel, den melancholisch-zynischen Lebemann.

Wenn die „Typen“ aber „Typen“ bleiben, ganz ohne real-menschliche Züge der Zeit, in der sie aktuell auf der Bühne agieren, bleiben sie halt doch ein kleinwenig fad und museal. Zumindest „heutzutage“, wo das einstmals Skandalöse längst nicht mehr greift. Anatol leidet ja echt an dem, was Frauen ihm „antun“ - nämlich genauso untreu zu sein, wie er selber. Aber auch die Frauen im Stück sind nur plakative Typen.

Vielleicht ist gerade deswegen die bewegendste Szene in der aktuellen Produktion im Landestheater jene, in der die Hauptfigur – ein süßes Mädel – abwesend ist: Anatol sucht am Heiligen Abend kurz vor Ladenschluss noch rasch eine Kleinigkeit für die aktuelle Geliebte, ein Mädchen irgendwo in der Vorstadt. Dabei trifft er eine Dame, mit der er nie was gehabt hat. Es folgt eine beinharte Abrechnung zwischen den beiden, mit Anklängen echter Einsamkeit und Verletzlichkeit auf beiden Seiten.

In dieser Szene „Weihnachtseinkäufe“, es ist wohl auch die literarisch weitaus beste, trifft Sascha Oskar Weis als Anatol bewegende Töne eines Menschen, nicht eines „Typen“. Und mit Beatrix Doderer steht ihm als Gabriele ebenfalls eine Frau aus Fleisch und Blut gegenüber, nicht nur ein weiterer Typ aus dem weiblichen Gehege des menschlichen Tiergärtleins.

Johanna Rehm ist die junge Cora, die Anatol nicht zu hypnotisieren wagt, aus Angst vor der Antwort auf die „Frage an das Schicksal“. Claudia Carus ist als Zirkuskünstlerin Bianca der sympathisch unkomplizierte Gegenstand der „Episode“. Nikola Rudle zahlt dem Anatol im „Abschiedssouper“ temperamentvoll Gleiches mit Gleichem heim. Mit dem Auftritt der verheirateten Else, einem Langzeitverhältnis über „drei Sommer“ bereits, führt Julienne Pfeil den Liebessucher endgültig in die „Agonie“.

Gero Nievelstein spielt den Max, der sich Anatols Leidensgeschichte noch geduldiger anhört, als das Publikum, mit kühlem Understatement.

Anatol – weitere Aufführungen im Landestheater bis 29. Mai - www.salzburger-landestheater.at
Bilder: Salzburger Landestheater / Anna-Maria Löffelberger

 

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