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Zwischen Liebe und Pharmazie

SCHAUSPIELHAUS / THE EFFECT

16/09/24 Die englische Dramatikerin Lucy Prebble spricht in ihrem 2012 uraufgeführten Stück The Effect die Problematik bei der Medikation von Psychopharmaka und deren Testung an. Sie verpackt dies in die Dialoge zweier Paare.

Von Erhard Petzel

Da ist das Ärztepaar. Dr. Toby Sealey (Jens Ole Schmiedler) erstellt als Projektleiter und CEO eines pharmazeutischen Konzerns Testreihen mit freiwilligen Probanden. Dr. Lorna James (Tanja Kuntze) führt diese durch. Sie ist Sealey unterstellt und steht auch durch eine frühere Begegnung in einem diffusen Abhängigkeitsverhältnis zu ihm. Er ist ein extrovertierter Narzisst mit gewinnender Außenwirkung, hat aber kaum die Fähigkeit zu fachlich distanzierter Betrachtung von Testergebnissen, wenn sie von seinen Intentionen abweichen. Mit Gefühlen außerhalb seiner Forschung kann er schon gar nicht umgehen, seine Beziehung zu Lorna ist völlig verkorkst. Sie zerbricht, als Lorna gegen ihr besseres Wissen mit der Finalisierung seines Testlaufs einen Probanden lebensgefährlich verletzt.

Zwar zeigt Sealey so etwas wie zärtliche Liebe gegen die Zerrüttete, so wie er aber für den Unfall bei seiner Testreihe keine Verantwortung übernimmt, versagt er letztlich auch zwischenmenschlich. Beide spazieren mit einem Ahnen-Hirn herum. Philosophische Anwandlungen wie Jugendtraumata finden da ihren Fokus (auch in grausamer Zermanschung in der Video-Einspielung).

Verantwortung ist ein zunächst nicht sehr offensichtlicher Schlüssel für dieses Stück, der beim zweiten Paar aber zu einem gemeinsamen Gelingen führt. Connie Hall (Leonie Berner) kommt nicht nur zu dem unter temporärer Amnesie leidenden Tristan Frey (Wolfgang Kandler) ins Krankenhaus, sie löst sich aus ihrer unbefriedigenden alten Beziehung und widmet sich dem Kranken, den sie schließlich mit sich nachhause nimmt. Wie sie dazu kommt? Sie hatten sich als Probanden kennen und lieben gelernt. Wobei er von vorne herein leicht hyperaktiv und affektiv einfach gestrickt zur Sache kommt und sie auch erfolgreich herum kriegt. Sie schützt sich vorerst in ihrem quasi intellektuellen Zweifel, auch weil sie im Dilemma steckt, inwieweit ihre Gefühle zueinander echt sind oder durch die Gabe des Serums indiziert. Denn die These beherrscht den Raum: Das Antidepressivum löst möglicherweise die nämlichen Reaktionen im Körper aus wie außerordentliche Erlebnisse oder eben Liebe.

Connie bringt die Ärztin sogar zur Preisgabe der Information, wer Serum und wer Placebo erhält. Nur stimmt die nicht, denn das Testformat umgeht auch die Testleitung. Die ausgelösten Turbulenzen wie das Medikament selbst setzen dem armen Tristan so zu, dass er völlig kollabiert.

Vielleicht eine Antwort zur Liebe: Was auch immer sie auslöst, gilt sie doch auch der gemeinsam verantworteten Geschichte, wobei er als Kranker ja dann doch wieder ausgeliefert ist. Die Dispute und emotionalen Achterbahn-Fahrten blitzen durch die raschen Szenenwechsel und Witz wie Witze haben ihren Platz (herrlich das zarte Aufkeimen von Zuneigung während eines Urin-Becher-Dialogs). Die fachlichen Auseinandersetzungen zwischen den beiden Psychotherapeuten sind heftig, da Dr. James, selbst depressiv, Psychopharmaka generell ablehnend gegenüber steht und Dr. Sealey mehr oder weniger der Geschäftemacherei bezichtigt. Dass sie da Testreihen ausführt, ist schon ein Widerspruch.

Die Protagonisten stehen auf der zentralen Bühne mit der sparsamen Ausstattung Ilona Glöckels: Instrumentenwagerl, zwei Hocker, fahrbare Scheinwerferständer für vielerlei und Decken-Monitore für Firmenlogo, Herzfrequenzen und Videoeinspielungen (David Haunschmid), auch parallel zur Szene. Dazu Marcel Busás unaufdringliche Lichteffekte und Thomas Richters ebenso dezente Musikeinspielungen. In Dora Schneiders klarer Regie entfalten die beiden Paare ein kraftvolles und spritziges Feuerwerk, sodass die zwei Stunden ohne Pause wie im Flug vergehen. Das Premierenpublikum, in zwei Gruppen einander gegenpübersitzend, feiert Team und ausgezeichnetes Stück einer erfolgreichen Autorin.

 

Bis 2. November im Studio – www.schauspielhaus-salzburg.at
Bilder: Schauspielhaus Salzburg / Jan Friese

 

 

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