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Aufbruch in surrealistische Welten

UNI MOZARTEUM / EXPERIMENTELLES THEATER

22/01/24 Das ewige Eis schmilzt und das Matterhorn zerbröckelt. Wenn dieser Berg nicht mehr als markantes Dreieck nach oben ragt, hat nicht nur Toblerone ein ernsthaftes Design-Problem, weil die Form der Schokoriegel nicht mehr passt. – Regiestudenten des Mozarteums erprobten sich an experimentellem, ja absurdem Theater.

Von Reinhard Kriechbaum

Die Sache mit der Gletscherschmelze und dem zerberstenden Matterhorn hat sich die junge Dramatikerin Selma Kay Matter ausgedacht. In Grelle Tage geht allerdings nicht nur etwas verloren, es taucht auch etwas auf. Ein Mammut beispielsweise, das möglicherweise vor allem deshalb geklont werden soll, um an Elfenbein zu kommen, ohne Elefanten töten zu müssen. Das Eis gibt auch eine Gruppe urzeitlicher Wolfshunde frei. Zwischen ihnen und dem in einem Rollstuhl sitzenden Jo entsteht so etwas wie eine Schicksalsgemeinschaft in einer deformierten, in Auflösung befindlichen und Chimären gebierenden Welt. Sie sind unfreiwillige Zeugen einer beängstigend lebensnah geschilderten Endzeit.

Grelle Tage war eines der Stücke, mit denen sich im Wintersemester die Regiestudenten des Thomas Bernhard Institutes an der Universität Mozarteum auseinandergesetzt haben. Am Freitag und Samstag (19./20.1.) vergangener Woche wurden diese Arbeiten präsentiert. Mehrere im Studio-Setting, zwei Produktionen im Theater im KunstQuartier. Ein anregendes Bündel von Dingen, die eher ein Schuss Rätselhaftigkeit denn inhaltliche Gemeinsamkeiten verbinden. Es war auch ein Text von Elfriede jelinek dabei (Wolken.Heim.) und George Taboris Klassiker Mein Kampf.

Die beiden Aufführungen im Theater im KunstQuartier haben auch nachdrücklich gezeigt, wie viel kreatives Potential im Umkreis der Schauspieler- und Regie-Ausbildung hier genutzt werden kann. In Grelle Tage beispielsweise waren die Maskenbildner herausgefordert, und auch Videoprojektionen kamen zum Einsatz. In Leonora Carringtons Das siebente Pferd oder Penelope war es für die Ausstatter gewiss anspruchsvoll, aus wenig Mitteln viel Imagination zu schaffen. Die leicht auf dem Trapez sich bewegende Penelope bekommt es unter anderem mit geheimnisvolle, Krinolinen tragenden Frauenfiguren mit schwarz umhüllten Gesichtern zu tun.

Die gebürtige Britin Leonora Carrington (1917-2011) kennt man aus der Kunstgeschichte. Sie war eine Zeit lang mit Max Ernst liiert und spielte als Malerin eine nicht ganz unbedeutende Rolle im Surrealismus. Und sie hat sich auch als Dramatikerin versucht. Ihre Penelope lernt man am Abend ihres 18. Geburtstags kennen. Da bricht ein Leben im Märchenschloss zusammen. Was sich in der Erwachsenenwelt herauskristallisiert, taugt zum Horrorfilm. Dieser Theatertext wirkt wie ein Literatur gewordenes surrealistisches Bild, eine Nachtfahrt durch Geheimnisse, Flüche, verdrängte Wünsche und verbotene Genüsse. In die studentische Salzburger Produktion interpoliert waren autobiographische Aussagen der Künstlerin. „Ich hatte keine Zeit, jemandes Muse zu sein. Ich war zu beschäftigt damit, gegen meine Familie zu rebellieren und zu lernen, Künstlerin zu sein.“

Bilder: Thomas Bernhard Institut / Jonin Herzig

 

 

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