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Phantastisches mit Phantasie

LANDESTHEATER / DIE UNENDLICHE GESCHICHTE

06/02/23 Michael Endes Roman Die unendliche Geschichte im Schnelldurchlauf feierte am Landestheater seine österreichische Erstaufführung auf den Brettern der Phantasie. Die Poesie der Bühnenmaschinerie sorgt für einen Theatertriumph.

Von Erhard Petzel

Der Film zu Michael Endes Roman wirkt seit 1984 hinsichtlich Bildsprache und Handlung. Dass der Autor dieses Produkt nicht autorisierte, liegt an der Verstümmelung der Geschichte, der Reduktiohn auf den ersten Handlungsstrang und der – beim Publikum erfolgreichen – Verniedlichung eines chinesischen Glücksdrachen zum Streichelzoo-Kuschelmonster.

Der Drache Fuchur zeigte bei der Premiere am Samstag (4.2.) zum Glück den einzigen Filmbezug in der Bilderwelt. Die Erben Michael Endes segneten die Bühnenfassung John von Düffels ab. Die Inszenierung von Carl Philip von Maldeghem, die Gestaltung von Bühne und Figuren durch Christian Floeren und die Figurenspielkonzeption von Richard Panzenböck gehen einen ziemlich eigenständigen Weg, der den Kern der Geschichte weitgehend transportieren will. Dies gelingt vor allem im ersten Teil überzeugend.

Die Hauptfigur Bastian (Aaron Röll) bleibt während des ganzen Stückes zwar äußerlich unverändert, ist aber auf geschickte Weise verstärkt ins Bühnengeschehen eingewoben. Es ist Bastian, der Atréju (Lejla Bischoff) die passenden Reime für Uyulala (Gregor Schulz) im Südlichen Orakel zuflüster.

Der Modus der Erzählung ist insofern verändert, als das „Buch im Buch“ zur Unendlichen Geschichte nicht von Bastian Balthasar Bux geklaut wird, sondern vom Souffleur (und Buchhändler im Roman) Karl Konrad Koreander (Georg Clementi) aus freien Stücken hergegeben wird. Dadruch erhält Bastians Präsenz in diesem Theater dramaturgische Logik. Auch der Werwolf Gmork (Maximilian Paier) rast nicht nur aus dem Schattenreich zur Verfolgungsjagd auf Atréju (Lejla Bischoff) durch Phantasie, sondern fungiert nebenbei als erläuternder Erzähler.

Die Beziehung Bastians zu Atréju ist durch dessen Besetzung als Hosenrolle etwas aufgebrochen, da ein Status als wahrgenommenes Paar die Freundschaft mit Identifikationsfunktion anders justiert. Bis auf diese beiden Hauptprotagonisten wechselt das Ensemble zwischen etlichen Personen und Gestalten der Geschichte.

Die abwechslungsreiche Musik Katrin Schweigers schafft klingenden Raum für Soli (z.B. Nicola Kripylo als Xayide mit eigener Showeinlage) und Ensembles. Herz zerreißend die Klage der traurigen Archarai, durch Staffelung der Bühne als Kopfwürmer sichtbar. Wenn Bastian sie zu übermütigen Schlamuffen umwünscht, werden auch musikalisch nervende Schmetterlinge auf Angeln über die Bühne gehangelt. Menschen mischen sich nahtlos mit Puppen. Zu dieser Urform an Theaterkunst ermöglichen Bühnenapparate und Projektionstechnik spektakuläre Effekte.

Wenn auch Ygramul nicht als „Die Viele“ dargestellt werden kann – sie und ihr Netz hängen sensationell in die Bühne. Grandiose Andeutungen: Eine graue Spirale hinter dem Werwolf als Symbol für das sich ausbreitende Nichts. Atemberaubend schöne Szenen für Wälder, die Sümpfe der Traurigkeit, den Garten um das „Änderhaus“ oder das Erinnerungs-Bergwerk Minroud.

Während die kompletten Streichungen für den Handlungsablauf meist gut zu verkraften sind, ergeben sich im zweiten Teil durch Umstellungen auch Unstimmigkeiten. Das verspätete Einbringen des Wüstenlöwen Graógramán korrespondiert etwas hinkend mit dem verfrühten Auftreten des Helden Hynreck (auch wenn dieser für Gregor Schulz eine herrliche Basis für burleske Quijoterie abgibt). Kompakt die Szenen um die manipulative Macht der Xaíde und ihren verderblichen Einfluss.

Die wesentlichen Aussagen und philosophischen Betrachtungen sind großteils integriert, abgesehen von der final essentiellen Einbeziehung des Liebesbewusstseins (der Vater hat keinen Auftritt). Da gerät alles ein bisschen schnell und oberflächlich. Die Dame Aiuóla (Tina Eberhardt) kann in diesem Tempo nicht glaubhaft therapeutisch wirksam werden, die harte Arbeit an der Traumbergung bei Yor in den Tiefen Minrouds findet erst gar nicht statt. Das Wasser des Lebens im AURYN plätschert harmlos.

Man möchte dem Ensemble noch etwas mehr großen Atem und gefestigte Ruhe wünschen. Das kann sich auch noch entwickeln.

Die Macht der Sprache wäre mit bühnenfester Sprechkultur überzeugender demonstriert, als mit dem Selbstbetrug des Headsets. Die Technik ist perfekt gehandhabt und soll die Stimme dort tragen, wo es klangliche Gründe dafür gibt. Besser wäre es trotzdem, aus den Tiefen des Zwerchfells zu artikulieren... Jedenfalls hat die Produktion Zug zum Saisonrenner mit vor Begeisterung stehendem Publikum beim Applaus.

Die unendliche Geschichte – Aufführungen bis 18. Mai – www.salzburger-landestheater.at
Bilder: LT / Anna-Maria Löffelberger

 

 

 

 

 

 

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