Alles steht unter Wasserdruck
SOMMERSZENE / THE WALKS
17/06/22 Auf, zum Selbst-, Verkehrs- und Stadterfahrungstrip an einen Kreisverkehr? Hat uns, ehrlich gesagt, nicht angeturnt. Selbst wenn Theaterleute wie die Gruppe mit Rimini Protokoll dazu einladen. Eher auf den Friedhof? Übertreiben muss man auch nicht mit der Sehnsucht nach Kälte...
Von Reinhard Kriechbaum
Park! Das könnte es bringen. Der Volksgarten, mit dem Springbrunnen in der Mitte. Da könnte man das Thema Wasser auch gleich abhaken in einem Aufwasch. Ein Offert der Sommerszene heuer ist das Hör- und Nachdenk-Projekt The Walk von Rimini Protokoll (Helgard Haug, Stefan Kaegi, Daniel Wetzel). Gehen tut sowieso keiner mehr ohne Handy, man ist gerüstet. Die App ist rasch installiert. Nachdem man der Szene alles, wirklich alles von sich verraten hat (Name, Adresse, Telefonnummer, Mailkontakt, ein Daten-Supergau) gibt’s den Zugangscode. Nun ist man angeleiteter Flaneur: im Park oder am Friedhof, an einem Kreisverkehr oder einer Ampelkreuzung. Für den Supermarkt brauchte es einen Partner oder eine Partnerin. Spielplatz oder Theater sind weitere Auswahlmöglichkeiten. Der Item Straße verspricht die Begleitung einer „psychologischen Beraterin“ und – man höre und staune – eines „Spaziergangwissenschafters“. Berufe gibt’s!
Wir haben uns letztlich fürs Wasser und den Salzachsee entschieden – das passt bei fast dreißig Grad. Eintauchen ins kühle Nass aber erst in 25 Minuten. So lange dauert das denk-anleitende Hörspiel. Es blubbert und rauscht aus dem Kopfhörer. „Plätschert es, strömt es?“, fragen eine Frauen- und eine Männerstimme. „Was ist gelöst darin?“ Wollen wir, ehrlich gesagt, gar nicht so genau wissen und halten uns erst mals an Poetische, von dem auch genug drin ist im Text.
Aber auch harte Facts. „Drei Bar – alles in dieser Stadt steht unter Wasserdruck.“ Interessant und lehrreich. Aus der Steigleitung in den Gulli, „aus Trink wird Abwasser“. So schnell kann's gehen. „Es ist Morgen, alle gehen aufs Klo … ein hellbrauner Bach.“ Das wird bei uns nicht anders aussehen und stinken wie in einer Kläranlage in Barcelona, deren Geräusche in dieser Episode akustisch eingefangen sind. „Nehmen sie einen Schluck aus der Flasche“, werden wir aufgefordert und bekommen gleich ein schlechtes Gewissen. Wie viel Wasser verbraucht wird! 200 Liter für ein Ei, 27.000 Liter für ein Liter Kakao, 15.000 für ein Kilogramm Rindfleisch. Sagenhaft. Essen wir lieber ein Baguette (150 Liter).
So also geht’s dahin, konsumierbar im Schatten sitzend oder am Ufer gehend. Nach dem wohlverdiente Reality-Bad rasch zurück in die Redaktion und dieser Text geschrieben. Morgen ist Muße fürs Jenseits: „Starte den Walk am ersten Grab.“ Weil wir neugierig sind, haben wir schon ein paar Minuten hineingehört. „Dem Prinzip nach ein Großraumbüro, Festvertrag , unkündbar.“ So würde das ein Arbeitsrechtler sehen. Eine Absage aber an den Büroschlaf: „Kein Schnarchen ist zu hören. Wer hier ruht, ruht für immer.“
Trailer: The Walks (Wasser); The Walks (Supermarkt); The Walks (Verkehrsinsel); The Walks (Aufbruch); The Walks (Friedhof); The Walks (Ampel)
Die Sommerszene dauert bis 24. Juni – www.szene-salzburg.net
Bilder: Szene / Expander Film