Ein Wahnsinns-Thema unter Jugendlichen
THEATER ECCE / OVAL / THINDERELLA
10/05/22 Der Kampf gegen den Hunger der Welt scheitert am Willen der Politik. Zugleich scheitern viele Menschen am Überfluss. Magersucht verbirgt oft „die Angst, die Kontrolle über das eigene Leben zu verlieren“. Davon erzählt Benjamin Blaikners Jugendstück Thinderella.
Von Heidemarie Klabacher
Die Fee im Märchen, egal ob Cinderella oder Aschenputtel, hat dem unterdrückten ausgebeuteten Mädchen ein Leben in Glück und Wohlstand samt Prinzen beschert. Das war, zumindest früher einmal und aus nicht-feministischer Sicht, ein Happy End. Der guten Fee im Märchen Cinderella soll man nichts Böses unterstellen. Diffuser sind die Motive von Valeries neuer besten Freundin im gleich auszusprechenden Theaterstück Thinderella: Diese Ana ist ebenso plötzlich aufgetaucht wie die Fee, verschenkt aber statt Abendkleid und Kutsche eine simple Waage. Valerie wird nicht von den Stiefschwestern verspottet, muss auch nicht Linsen aus Asche klauben. Sie wird in der Schule gemobbt. Dem Stück zugrunde liege „ein Interview mit einer jungen Frau, die an Anorexie, also Magersucht, erkrankt ist“, erzählt Benjamin Blaikner, der sein eigenes Stück mit dem Ensemble des Theater Ecce insezniert.
„Sie sprach offen und ohne etwas zu beschönigen über ihre Erkrankung.“ Schon während des Interviews sei ihm klar geworden, dass er diese Geschichte „in abstrahierter Form natürlich“ auf die Bühne bringen und damit auf das Thema aufmerksam machen wolle.
„Anorexie ist nach wie vor ein Tabu, das thematisiert werden muss und mehr Platz in der Öffentlichkeit braucht.“ Die Gesellschaft meide Menschen, die gewissen „Normen“ nicht entsprächen. „Es wird geschwiegen, oft entstehen Missverständnisse, es bleibt Ungesagtes, das sich zusehends ausbreitet.“ Wir alle kennen das Phänomen vom Elephant in the Room: Etwas wiegt so schwer, dass man es nicht mehr wahrhaben will. Vielleicht ein Mädchen, das immer dünner wird... Das Besondere an der Produktion des Theater Ecce im Oval im Europark und im Nexus Saalfelden: Es spielen professionelle Schauspielerinnen und Schauspieler gemeinsam mit Jugendlichen, „Vertretern der Zielgruppe“. Ergänzend zum Theaterstück werden gemeinsam mit „akzente Salzburg“ kostenlose Workshops für Schülerinnen und Schüler angeboten.
Ess-Störungen und psychische Erkrankungen hätten im Zuge der Covidkrise massiv Überhand genommen, Beratungs- und Anlaufstellen würden überrannt. „Man hat nur das Gefühl, dass ist allen sch...egal“, sagt Reinhold Tritscher, der Prinzipal des Theater Ecce. An der Produktion beteiligt seien daher „Institutionen, die mehr können als wir“: „Theaterleute können nur Theaterspielen, nicht therapieren.“ Daher gebe es nach jeder Aufführung ein Publikumsgespräch mit Profis „sollte das Bedürfnis auftauchen“. Tatsächlich sei Magersucht ein „Wahnsinnsthema“ unter Jugendlichen, „die Emotionen gehen hoch, wenn man in das Thema reingeht“. Wie in anderen Stücken des Theater Ecce mit sozial-psychologischem Hintergrund, etwa der Elefantenmensch, stehe auch hinter Thinderella der Gedanke „nicht wegschauen, sondern Foren schaffen, wo man sich den Problemen stellt“.
Thinderella - Jugendtheaterstück von Benjamin Blaikner – Uraufführung ist heute Dienstag (10.5.) um 19.30 im Oval im Europark – weitere Aufführungen folgen am 11., 12., 13. und 16. Mai; am 8., 9. und 10. Juni gibt es Aufführungen im Nexus Saalfelden - www.oval.at
Bilder: Stills aus dem Trailer / www.oval.at
