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Die Angst gebiert Ungeheuer

LANDESTHEATER / DIE ANSCHLÄGE VON NÄCHSTER WOCHE

28/03/22 Rätsel über Rätsel. Wie kann es sein, kann es überhaupt sein, dass dieser sympathische junge Mann über Jahre immer gerade dort auftaucht, wo Attentate passieren? Eine Ermittlerin hat offenbar erdrückende Fakten gegen ihn zusammengetragen – und doch bleiben nicht nur ihr Die Anschläge von nächster Woche verborgen.

Von Reinhard Kriechbaum

Klingt ja recht gut, der überproportional gut bezahlte Job, der Armin angetragen wird: Beleuchter in der Show eines Magiers. Das Publikum rennt ihm offenbar die Tür ein, denn dieser geheimnisvolle Herr Tartini versteht sich wohl wie kein zweiter auf Seelenfängerei. Wovor sie Angst haben, will er von den Menschen wissen, und die fühlen sich angehört, ernst genommen, auf Augenhöhe abgeholt. Ein gewaltiges Manipulationsprojekt eines Populisten, das dann regelmäßig in Gewalt mündet gegenüber den vermeintlichen Angst-Machern?

Thomas Arzt hat mit Die Anschläge von nächster Woche einen Text vorgelegt, der eigentlich mehr verschleiert als offenlegt. Was da genau passiert in diesen Shows, wen genau der Demagoge Tartini gegen wen aufhetzt? Das bleibt so unklar wie die Frage, ob Tartini und seine beiden Handlanger – neben dem vorerst unbedarften Armin ist noch ein sinistrer Typ namens Michailov im Team – selbst etwas zu tun haben mit den Anschlägen, die sich just immer nach den obskuren Auftritten ereignen.

Wenig Greifbares, aber einiges von der Tiefenpsychologie der Angst erfahren wir in diesem anderthalbstündigen Bühnen-Krimi, der in den Kammerspielen des Salzburger Landestheaters seine Österreichische Erstaufführung erlebt. Eine Ermittlerin (Britta Bayer) scheint viel belastendes Material, aber so gut wie keine Beweise angehäuft zu haben. Das weiß Armin (Skye MacDonald) nur zu gut. Die Geschichten, die er ihr auftischt, klingen mehr als verschwurbelt. In Rückblenden sehen wir, wie Armin von dem charismatischen Tartini (Gregor Schulz) in Dienst genommen wird und immer stärker in Abhängigkeit gerät. Zugleich entfremdet sich Armin von seiner Partnerin Eva (Sarah Zaharansi). Aus dem jungen Glück im Häuschen mit Vorgarten wird wohl nichts, noch schlimmer: Auch Eva gerät in die Fänge Tartinis.

Der Autor Thomas Arzt ist ein ausgefuchster Psychologe. Sein Stück kreist um die Angst als solche. Um Reflexe, die sie auslöst. Um scheinbare Gewissheiten, mit denen man ihrer Herr zu werden glaubt – und die doch nur Chimäre, womöglich nur Erzeugnis von Demagogie sind. Arzt ist ein Meister der knappen Sprache, der angerissenen Sätze, der doppelbödigen Anspielungen. „Wenn die Angst verkrustet, wachsen Stämme, die keiner durchsägt.“ Mit Metaphern spart der Autor nicht, und er riskiert durchaus, zu dick aufzutragen. Aber freilich: Die Angst gebiert Ungeheuer, das hat schon Francisco Goya bildlich festgehalten. Thomas Arzt spinnt in diese Richtung deftig weiter.

Christina Piegger hat Regie geführt und ist auch für Bühne und Kostüme verantwortlich. Sie lässt die Bühnenfiguren geschickt zwischen alltäglichen Gesprächssituationen und völlig irreal anmutenden Szenerien lavieren. Höchst effektiv arbeiten ihr die Video-Techniker (die Gruppe We are Video) vor allem in jenen Gruppenszenen zu, die wie ein Antikenchor anmuten. Bei aller Rätselhaftigkeit im Einzelnen, bei all der kruden Unwahrscheinlichkeit entwickelt sich ein Krimi mit starkem dramaturgischen Sog.

Freilich: Die Figuren sind klischeehaft gezeichnet, aber genau so sind sie ja auch vom Autor vorgegeben – und das hat ja durchaus seine Berechtigung: Auch diffuse Ängste, die von vielen Menschen Besitz ergreifen, beruhen ja auf vagen Verallgemeinerungen. Sie halten einem Faktencheck nicht stand, so wie diese Geschichte sich letztlich nicht dingfest machen lässt.

Aufführungen bis 3. Mai in den Kammerspielen des Landestheaters – www.salzburger-landestheater.at
Bilder: Salzburger Landestheater / Tobias Witzgall

 

 

 

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