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Eine Schaustellung

THEATER ECCE / DER ELEFANTENMENSCH

06/07/20 Die Filmbilder sind im Kopf, auch wenn die Geschichte kaum mehr präsent ist: Joseph Carey Merrick (1862-1890) war eine Persönlichkeit des viktorianischen England, die durch ihren genetischen Defekt so großes Aufsehen erregte, dass sie bis heute ikonografisch bekannt ist.

Von Erhard Petzel

Der Elefantenmensch eine Vorführung des Theater Ecce im Zirkuszelt im Volksgarten, eine Schaustellung von Bernard Pomerance: Aufgrund der massiven Missbildung der rechten Hand blieb Joseph Carey Merrick ein herkömmliches Erwerbsleben versagt, sodass er sich auf Jahrmärkten als Monster verkauft hat. Die Szene, bei der sein „Geschäftspartner“ Tom Norman vergeblich wieder ins Geschäft kommen will, wird im Theaterzelt im Volksgarten von Ripoff Raskolnikov in Form eines eigenhändig auf der Gitarre begleiteten Country-Blues abgewickelt. Von dreißig Prozent Gewinnbeteiligung handelt er sich im Refrain selbst auf zehn herunter.

Davon will Merrick, ohne Maske eindrücklich von Reinhold Gerl gespielt, nichts mehr wissen. Unter dem Namen John Merrick hat er es nicht nur zu einem hohen Maß an gesellschaftlicher Bekanntheit gebracht, vielmehr hat er im Krankenhaus sein sicheres Zuhause gefunden. Das verdankt er seinem medizinischen Gönner und Förderer, dem Chirurgen Frederick Treves (Alexander Lughofer), dessen Visitenkarte in einer besonders bedrängenden Lage zum Tor in ein gesichertes Leben wird. Eine Win-win-Situation: Der Arzt beschleunigt seine Karriere durch den Fall beträchtlich, das Krankenhaus profitiert durch eine geschickt durchgeführte Spendenaktion des Direktors (Gerard Es).

Das 1977 von Bernard Pomerance hergestellte Drama The Elephant Man legt den Fokus auf die Situation, in der sich Merrick als Ausstellungsstück befindet. Zwar ist die Situation im Krankenhaus menschlicher als auf dem Jahrmarkt mit den Abnormitäten einer Kolonialmacht, aber auch da dringt eine sensationslüsterne Meute ein (was zur Kündigung des Pflegers führt). Das „Monster“ wird gewinnorientiert mit Öffentlichkeit taktiert, bei allem Schutz und durchaus ehrlichem Förderungsbemühen durch Treves. Die Zwiespältigkeit der Person im prüden Umfeld viktorianischer Prägung wird deutlich, wenn er die Schauspielerin Sandwich (Anna Loch) hinauswirft, nachdem er sie vor Merrick nackt posierend erwischt hat, obwohl von ihm als Gesellschaftsdame zur vollständigen Eingliederung des Gehandicapten ein- und diesem zugeführt.

Penetrant kehrt er den Moralapostel hervor, der sein behütetes Geschöpf führt, obwohl ihm Selbstzweifel nicht fremd sind. So, wie er es bei Vorlesungen vorgeführt hat, kommt es zur Umkehr in einer tumultartigen Traumszene. Merrick erhebt sich aus seiner verkrüppelten Lage und seziert den Charakter seines Wohltäters coram publico.

Es sind diese Massenszenen, in denen die bunte Truppe vom Theater Ecce ihr burleskes Treiben entfaltet und lustvolles Chaos verbreitet. Die Musiknummern Raskolnikovs gliedern und takten den Ablauf und brechen die Theaterhandlung ebenso auf wie die akrobatischen Duette diverser Spezialwesen von Anna Ademsamer und Pamina Milewska.

Eine Fülle kleiner Auftritte und Zwischenszenen macht es möglich, dass sich jeder einmal seinen spezifischen Möglichkeiten gemäß präsentieren kann. Distanz auf der Bühne ist offenbar kein essenzielles Problem, auch die lockere Kleingruppen-Bestuhlung im Publikum ist sogleich empfundene Normalität. Reinhold Tritschers Anweisungen bei der letztgültigen Verteilung der Leute auf ihre Plätze weisen ihn als umfassend eingesetzten Regisseur aus, wo sich Wirklichkeit und Theater im Wesen der äußeren Bedingungen verzahnen. Eine Pause im Freien macht das Abstandhalten zur einfachen Übung. Das Theaterzelt als Heimstätte für Ecce erweist sich als genialer Ort in virulenten Zeiten.

Der Elefantenensch – weitere Aufführungen im Theaterzelt Volksgarten bis 16. Juli; ab 31. Juli vier weitere Aufführungen im Circuszelt in Leogang – www.theater-ecce.com
Bilder: Theater Ecce / Foto Flausen

 

 

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