Floriani-Köpfl mit Banjo
SCHAUSPIELHAUS / DER TALISMAN
22/05/19 Theo Helm, der Titus Feuerfuchs in der aktuellen Aufführung von Nestroys Der Talisman im Schauspielhaus Salzburg, ist auch gut drauf auf dem Banjo. Mit einem Rap führt er sich ein, aber er ist stilistisch wandlungsfähig.
Von Reinhard Kriechbaum
Sie sind eine feine Sache, die musikalisch anspruchsvollen Couplets, die Gernot Haslauer neu komponiert hat. Und doch sehnte man am Premierenabend die alten, vertrauten Weisen herbei, und zwar aus einem ganz einfachen Grund: Die Couplets waren und sind seit Nestroys Zeit der Ort, wo man – gerne in wie spontan wirkenden, zugegebenen Strophen – das Aktuelle einfließen lässt. Nun waren gerade 24 Stunden vor der Premiere (18. Mai) Strache und Gudenus mit ihrem Ibiza-Ausflug aufgeflogen. Was könnte das für Seitenhiebe geben, wäre nicht die Musik in dieser Aufführung entschieden zu komplex für kurzfristiges Neuschreiben oder gar für Stegreif-Ausflüge. So ist's bei ganz wenigen Anspielungen in den Dialogen geblieben. Aber macht nichts: Wenn Salome Pockerl einmal von „Neuwahl“ spricht, lacht das dankbare Publikum ja auch schon...
Der von Robert Pienz inszenierte Talisman ist im übrigen eine Aufführung, in der man den zeitlosen Meriten der Nestroy'schen Sprache und seiner Komödienkunst vertraut. Und das ist sehr gut so. Das „Austriakische“ – so hat es ein Literaturkritiker einmal genannt – ist nämlich durchgängig gut getroffen.Nicht nur den beiden Rotschöpfen, Theo Helm als Titus Feuerfuchs und Bina Blumencron als Salome Pockerl, kommt es wie selbstverständlich über die Lippen. Mit viel Liebe sind die Formulierungs-Besonderheiten herausgearbeitet, so dass zum Beispiel die drei Frauen unterschiedlicher sozialer Stellung schon im Reden jeweils sehr eigenständiges Profil bekommen: Susanne Wende ist die Frau von Cypressenburg, Kristina Kahlert die Kammerfrau Constantia und Ute Hamm die Gärtnerin Flora Baumscheer. Olaf Salzer als Friseur und Perückenspender Monsieur Marquis bewegt sich auf allen sozialen Ebenen sicher. Simon Jaritz darf als Plutzerkern moderat rabauken und Marcus Marotte ist ein mehr als sympathischer, weichherziger Bierversilberer Spund.
Ausstatterin Ragna Heiny hat einen einzigen Raum geschaffen: ein rundes Podest mit Vorhang-Wänden. Manche Szene ist als Schattenspiel durchgestaltet, dafür eignen sich die originellen Kostüme sehr gut. Und diese kleinen Schattenspiele wiederum helfen dem Regisseur, Szenen zuzuspitzen. Auch da gilt: immer ganz nahe an Nestroy und deshalb stets auf der sicheren Seite der Komödienkunst. Diese verkraftet viel Deftiges, das wagemutige Outrieren wird aber stets abgefangen durch überaus liebenswürdige Ideen im Detail. Geradezu rührend, wie Salome Pockerl ihren Single-Frust und die Hoffnung aufs „Floriani-Köpfl“ Titus mit dem Zeigefinger am Mundstück des Tenorhorns auslebt. Dieses Musikinstrument, dem sie freilich nur ein Blöken entlockt, ist die Parallele zum Banjo des Feuerfuches. So unterschiedlich verteilt ist das Glück bei den Rothaarigen. Mit feinen Andeutungen und illustrativem Slapstick wird man den ganzen Abend lang blendend unterhalten.