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Der Gleichschritt und das Ich

REPUBLIC / NEW FACES NEW DANCES

21/01/10 Das Format "New Faces New Dances" ist bestens eingeführt. Auch diesmal lockte die Möglichkeit, junge Tanz-Kreativität aus der SEAD-Kaderschmiede  kennen zu lernen, ein vorwiegend junges Publikum ins "republic".

Von Reinhard Kriechbaum

Kann man Architektur in Bewegung, in Modern Dance umsetzen? Der Brasilianer Renan Martins hat einigen Ehrgeiz, wenn er in "A vida é um sopro" Bezug nimmt auf einen Dokumentarfilm über den südamerikanischen Architekten Oscar Niemeyer. Natürlich ist das kein "biographisches Ballett", sondern es geht um Ideen: Offenheit, Bewegung und Proportion - das zeichnet gute Architektur ebenso aus wie guten Gruppen-Tanz. Renan Martins lässt mit Klebebändern ein Geviert abstecken. Von dessen Rändern her kommen Tänzer in kleineren und größeren Gruppen beständig zueinander, sie beeinflussen einander in ihren Energien und im Bewegungsfluss. Klug formt der junge Choreograph aus sehr individuellen Typen ein Gruppengeschehen, das hohe Eigendynamik und Synchronisation zugleich spiegelt.

Martins' Choreographie war die bei weitem stärkste an diesem ersten von zwei Abenden im "republic" (Mittwoch, 20.1. ). Das bestechende an dieser Arbeit: Sie verzichtet aufs Geschichtenerzählen. Da ist sich ein junger Tanz-Meister seines Vokabulars schon sehr sicher, und er geht mit dem höchst ansehnlichen technischen Leistungsvermögen seiner Mitstudenten am SEAD wie selbstverständlich um.

Shiran Eliaserov kommt aus Israel. Auch sie ist derzeit Postgraduate-Studentin am SEAD. Für "The See-Through People" hat sie sich für einen multimedialen Mix aus Tanz, Projektion und Schattentheater entschieden. Viel will sie erzählen vom autarken Innenleben und dessern Irritation, ja: Gefährdung von außen. Wieviel Offenheit, wie viel Rückzugsgebiet braucht es in Paarbeziehungen? Der Tanz wäre gewiss ein optimales Medium, das anschaulich zu machen. Es besteht aber auch die Gefahr, zu viel auf einmal erzählen zu wollen. Irgendwie wusste man da nicht, wo zuerst hinschauen.

Auch "My Lovely Army" von der Türkin Ceren Oran führt auf ur-tänzerisches Gebiet. Liefern sich Tänzer einer choreographischen Synchronisation auf ähnliche Weise aus wie Soldaten, werden sie ihrer Individualität beraubt wie jene, die Generälen im Gleichschritt folgen? Mini-Spielzeugsoldaten aus Plastik im Zuschauerraum sollen auf das Thema einstimmen. Auch Ceren Oran schöpft viel Energie aus den starken individuellen Typen (das SEAD ist Frauensache mit Quotenmännern, also entsteht da eine Armee mit Frauen-Power). Auch sie erzählt viele Geschichten simultan und hintereinander. Was Zweier- und Dreier-Konstellationen angeht, ist die Arbeit brillant in der Erfindung. Gegen Ende kommt ein Kind auf die Bühne und lässt einen funkgesteuerten Spielzeug-Soldaten auf dem Boden kriechen und schießen - und die Compagnie imitiert diese ruckartigen, mechanischen Bewegungen in grotesker Weise. Da bekommt die Sache sogar ironische Züge.

Heute, Donnerstag (21.1.) um 20 Uhr im SEAD ist als vierte Choreographie "A part of me is made of glass" von Vita Osojnik (Slowenien) zu sehen.
Bilder: SEAD / Peter Behek

 

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