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Wer hat das Wildschwein zur Strecke gebracht?

UNIVERSITÄT MOZARTEUM / LA CORONA

23/10/14 Kaiser musste man sein. Dann hat einem Christoph Willibald Gluck exklusiv eine Oper zum Namenstag geschrieben und vier Erzherzoginnen – die eigenen Töchter – haben sie einstudiert. Der zauberhafte Opern-Einakter „La corona“ erfährt am Mozarteum eine ebenso zauberhafte Aufführung durch vier Gesangstudentinnen und ein stilisitisch versiertes Instrumentalensemble.

Von Heidemarie Klabacher

Wer hat das Wildschwein zur Strecke gebracht? Das ist der für eine höfische Huldigungsoper durchaus überraschende „Konflikt“, der in „La corona“ ausdiskutiert wird. Es war freilich nicht irgendein Wildschwein, sondern der legendär wildgewordene calydonische Eber. Die tapfere Atalanta hat das Untier auf der Jagd verletzt - und dann erst hat es der ebenso tapfere Meleagro getötet. Wem gebührt der Lorbeer? Freundin Climene schlägt pragmatisch vor, den Siegeskranz der Göttin der Jagd zu Füßen zu legen.

Vier Sängerinnen - ehemals vier Erzherzoginnen - diesmal ein darstellerisch und sängerisch hervorragendes Ensemble aus vier Studentinnen verschiedener Gesangsklassen stehen in eleganten barocken Roben bzw. angedeuteter Rüstung auf der Bühne des Großen Studios. Dort befinden sich nur noch drei Stühle und eine kleine Statue. Dahinter hängt ein vergrößertes Landschaftsbild eines „Alten Meisters“ an der Wand, über dem Wasserfall schwebt duftig ein Pegasus. Mehr braucht es nicht, um den „höfisch-antikischen“ Kontext bildkräftig in den Köpfen des bezauberten Publikums entstehen zu lassen.

Margit Legler, eine Expertin für historische Theaterpraktiken, hat bei dieser Zusammenarbeit des Mozart-Operninstitutes mit dem Institut für Alte Musik ganz auf „höfisches“ Bewegungs- und Gestenrepertoire gesetzt, konsequent durchgehalten bis zum Verbeugungsritual. Das ist nicht nur ein virtuoses Beschwören und Zitieren barocker Aufführungspraxis, sondern auch ein reizvolles Spiel mit diesen „Vokabeln“ - und bewirkt bei aller Eleganz zugleich den Eindruck einer quasi abstrahierenden Distanz.

Jede der vier Figuren hat ihre eigenen gestischen Leitmotive: Die Darstellerin des Meleagro, Anne-Fleur Werner, etwa legt beim Singen beide Hände konsequent an die linke Hüfte. Die Darstellerin der Atalanta, Ornella de Luca Coltro, hat mit Fächer und Spitzentaschentuch die eleganten Requisiten für den ebenso stilisierten wie anschaulichen Ausdruck aller Emotionen immer bei der Hand. Dazu kommen Anna Magdalena Helbig als temperamentvolle Asteria und Christina Holowati als elegante Problemlöserin Climene. In jedem Augenblick der gut einstündigen Aufführung könnte man jede der vier Protagonistinnen für das Familienalbum der kaiserlichen Familie fotografieren.

Die vier Künstlerinnen sind sängerisch ebenso überzeugend, wie darstellerisch. Christoph Willibald Gluck hat mit der „Festa teatrale“ ein wahres Kleinod geschaffen – große Oper auf kleinstem Raum sozusagen. Große Gefühle, nachdenkliche Reflexion, die für Augenblicke immer wieder Richtung Lamento zu gehen scheint, sind in „La Corona“ ebenso enthalten, wie heitere markige Jagd- und höfische Festmusiken. Mit der temperamentvoll tollenden und effektvoll schmollenden Asteria ist sogar der komische Gegenpart zum streng protokollarisch agierenden Personal angedeutet. Es ist ein wahres Vergnügen, diese klaren, technisch sicher geführten und stilistisch souverän phrasierenden jungen Stimmen zu erleben.

Begleitet werden die Sängerinnen vom Instrumentalensemble des Instituts für Alte Musik, das Hiro Kurosaki einstudiert hat: Dementsprechend beredt, wendig und klangrednerisch musizieren die jungen Musikerinnen und Musiker unter der Leitung von Josef Wallnig.

Der Widmungsträger selber hat „La Corona“ übrigens nicht erlebt: Franz Stephan von Lothringen is,t völlig unerwartet, wenige Wochen vor seinem Namenstag im August 1765 verstorben, die Festaufführung entfallen. Ein ähnliches Huldigungswerk „Il Parnasso confuso“, geschrieben anlässlich der Hochzeit des ältesten Sohnes von Maria Theresia und Franz Stephan im Jänner desselben Jahres, hat er gehört.

Eine Chance auf „La Corona“ gibt es noch – heute Donnerstag (23.10.) um 18.30 im Großen Studio der Universität Mozarteum - www.uni-mozarteum.at
Bilder: Universität Mozarteum/Christian Schneider

 

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