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Ein Lichtschwert für Radamès

LANDESTHEATER / AIDA

05/11/23 „Character creation“ fordert der Bildschirm. Radamès dreht an den Reglern seiner VR-Brille und besingt die holde Aida. Alsbald betritt mit Cristiana Oliveira eine Art Sternen-Dschungel-Kriegerin die Bühne. Von der „Erschaffung“ an ist ihr Aida-Avatar das darstellerische und stimmliche Zentrum der Aufführung.

Von Heidemarie Klabacher

New Game. Nutzungsbedingungen akzeptieren. Play Game. Die riesige Projektionsfläche vor den Arkaden ist eine detailreiche Benutzeroberfläche. Aida als Videospiel? Da gingen ja sogar ein paar Elefanten!

So weit treibt es Andreas Gergen in seiner Inszenierung des Verdi-Knallers für das Landestheater in der Felsenreitschule dann doch nicht. Es wird auch keine rein virtuelle Videospiel-Aida, sondern die Geschichte einer unheilbaren Spielsucht. Virtuelle schlägt reale Wirklichkeit.

Radamès – Milen Bozhkov legt im Laufe des Abends an Präsenz und tenoraler Strahlkraft zu – Radamès ist ein Manager der Gegenwart. Er entflieht dem Bussines, vor allem aber seiner Ehe mit Amneris, in die virtuelle Realität des Alten Ägypten. Die Priester dort sind blutrünstig wie eh. Fanatische Kriegstreiber, wie sie auch aktuell wieder am Werk sind, egal, wie ihre Götter jeweils heißen...

Bestens disponiert sind Chor und Extrachor des Salzburger Landestheaters, die vor allem in den priesterlichen acapella-Passagen mit feiner Chorbalance, in den Männer- wie in den Frauenstellen, aufhorchen lassen. In ägyptischer oder marsianischer Gewandung (Kostüme Aleksandra Kica), teils mit Laserwaffen, teils mit Lanzen bewaffnet, hat der Chor auch zentrale Deko-Funktion.

Cristiana Oliveira in der Titelrolle ist fulminant, sängerisch wie darstellerisch. Präsent im delikaten Pianissimo der Verzweiflung wie im kräftigen Forte des Aufbegehrens. Aidas geradezu leitmotivisch wiederkehrende Beschwörung der Gefielde ihrer äthiopischen Heimat gehören zu den musikalischen Highlights. Ihr entsagungsvolles „mai piu“ lässt die tumultösen Ereignisse auch mal zur Ruhe kommen.

Die Oboenkantilene lenkt die Aufmerksamkeit auf die wie immer blendend disponierten Holzbläser des Mozarteumorchesters. Nicht nur die Aida-Trompeten lassen den Konglomerat der Felsenreitschule bröseln. Leslie Suganandarajah, Musikdirektor am Landestheater, scheut nicht das Fortissimo. Mit dem dritten Akt scheinen sich Sound und Lautstärke im Luftraum der weitläufigen Location homogenisiert zu haben. Das schlägt auf die Solistinnen und Solisten durch.

Diese transportieren spürbar „geerdeter“ ihre Kantilene auf tieferem Atem. Solide singen und agieren Aris Argiris als Amonasro, Martin Summer als Ramfis, Daniele Macciantelli als Il Re, Anita Giovanna Rosati als Sacerdotessa und Alexander Hüttner als messaggero.

Oksana Volkova singt die Partie der Amneris mit prachtvoll timbriertem Sound, wenn auch nicht immer bruchlos im Wechsel in die tiefen Register.

Diese Amneris ist hier also die real vernachlässigte Gattin eines Spielsüchtigen und Virtual Reality-Junkies. Sie steigt aus Verzweiflung als ägyptische Pharaonentochter ebenfalls ins Spiel ein und bekämpft, vergeblich freilich, die virtuelle Rivalin Aida. Reale und virtuelle Welt – die präzise Personenregie von Andreas Gergen und das opulente Videodesign von Andreas Ivancsics – verschmelzen überzeugend. Und nur Amneris kommt da am Ende unbeschadet wieder heraus...

Insgesamt eine originelle, ausstatterisch vielleicht ein wenig überladene Lesart, die Andreas Gergen und Bühnenbildner Stephan Prattes sich da haben einfallen lassen. Die roten Blut-Bänder (?), die von der Decke hängen oder die riesige Aufblasfigur tragen inhaltlich wenig bei, bleiben im Dekorativen. Die überreiche Videoprojektion von Andreas Ivancsics hätte gereicht. Die trieste Realität der Ehe Radamès-Amneris, der vergebliche Kampf der Ehefrau gegen die zerstörerische Spielsucht des Gatten, sind ernüchternde Kontrapunkte, durchaus aber auch Rettungsinseln des Realen in der verführerischen Üppigkeit des Virtuellen.

Nicht immer ganz organisch und überzeugend wirken die bizarren Balletteinlagen der „Manager-Priester“. Die reale Handlung spielt ja in der Gegenwart. Da werden Verträge abgeschlossen und Intrigen gesponnen, Computer hochgefahren und Aktenkoffer herumgetragen. Verdis Musik freilich bleibt in Ägypten und will bebildert werden. Da mussten getanzte Kompromisse her, die vom Ballett-Ensemble des Landestheaters – in der Chroeographie von Reginaldo Oliveira – virtuos umgesetzt werden.

Eins nur - kann bitte wer dem Radamès ein eleganteres Lichtschwert besorgen? Seins schaut aus wie eine Neonleuchte aus der Theaterküche. Vielleicht leiht Meister Yoda seines her.

Aida - Aufführungen in der Felsenreitschule bis 3. Dezember – htwww.salzburger-landestheater.at
Bilder: LT / Tobias Witzgall

 

 

 

 

 

 

 

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