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„Alle nehmen viel fürs Leben mit“

REPORTAGE / SALZBURGER ADVENTSINGEN

08/09/22 „Es gibt keinen schöneren Probenraum als den Kuhstall hier heroben am Soderkaser“, schwärmt Hellmut Hölzl, langjähriger Kostümbildner des Salzburger Adventsingens. Es gehört zum vertrauten Jahreslauf: In der letzten Ferienwoche treffen sich die Hirtenkinder, werden vorbereitet fürs Hirtenspiel im Salzburger Adventsingen.

In den vergangenen beiden Jahren waren es sozusagen leere Kilometer – das Adventsingen konnte coronabedingt nicht stattfinden. Heuer stehen die Zeichen wohl entschieden besser. „Wir sind hoffnungslos optimistisch, auch heuer wieder ein mit 17 Aufführungen und 34.000 Besucher:innen ausverkauftes Salzburger Adventsingen zu erleben“, sagt Adventsingen-Leuiter Hans Köhl.

In nur vier intensiven Tagen schafft die Hirtentruppe es, von etwas schrägen Tönen zu Beginn einen bühnenreifen Auftritt einzustudieren. Betreut werden sie von Markus Helminger, der bereits 1971 selbst als Hiatabua auf der Bühne stand, dann als Schauspieler, Chormitglied mitwirkte und nun als „Hirtenvater“ die organisatorischen Fäden in der Hand hat. „Ich vergleiche die Hirtenkinderschar mit einer Fußballmannschaft. Mit dem Stimmbruch müssen sie uns verlassen, dann kommt ein Schub neuer Kinder, woraufhin sich das Team ganz schnell neu formiert. Auch heuer fügten sich die fünf Neuen schnell ein. Und die, die früher die Kleinen waren, übernahmen gleich eine Führungsrolle. Und wir beobachten: Schüchterne werden selbstbewusst und finden es selbstverständlich, vor großem Auditorium zu sprechen. Das ist spielerisch für das Leben lernen.“

Hirtenkind sein – das ist etwas für junge Salzburger und Salzburgerinnen. aber es ist kein Alleinstellungsmerkmal:  Insgesamt sind im Laufe der über 75 Jahre Salzburger Adventsingen zwischen 350 und 400 Hirtenkinder auf der Bühne des Großen Festspielhauses gestanden, schätzt Markus Helminger.

Neben Helminger sorgt Gudrun Köhl-Korbuly seit zwanzig Jahren für das Wohl der jungen Mitwirkenden: „Die Gemeinschaft, die auf der Alm wächst, ist unwahrscheinlich schön. Die Verbindung zwischen den Kindern bleibt oft über das gemeinsame Adventsingen hinaus. Hier gibt es kein Ich, sondern nur ein Wir. Alle nehmen viel fürs Leben mit."

Nicht nur für fünf Hirtenkinder ist es das erste Salzburger Adventsingen: Gerda Gratzer übernimmt heuer erstmals die Schauspielregie: „Die Arbeit mit den Kindern hat mich förmlich überwältigt. Ich habe schon viel mit Kindern in unterschiedlichen Kontexten gearbeitet. Die junge Truppe ist aber derartig begabt und engagiert und begeistert mich mit einer großen Herzlichkeit. Nach der kritischen Zeit der letzten zwei Jahre ist meine Rolle, das Feuer wieder zu heben und es dem Publikum neu zu zeigen. Also: Das Vertraute wieder neu zu machen.“

Auch die Musikpädagogin und Kirchenmusikerin Hildegard Stofferin findet sich heuer in einer erweiterten Rolle wieder. Bislang hat sie in der ersten Jahreshälfte die Kinder musikalisch mit rhythmischen Aufgaben und Liedern fernab des Adventsingens auf das große Bühnenwerk im Herbst vorbereitet. Heuer fällt ihr erstmals die musikalische Einstudierung der Hirtenkinder zu. „Das ist jetzt noch viel intensiver, dass es für mich mit den Kindern im Herbst weitergeht. Besonders schön ist die Erfahrung, dass sie miteinander in der Begegnung, aber auch im musikalischen Bereich aufeinander achtgeben. Eine neue Herausforderung ist, dass ich die Werke für die Hirtenkinder auch arrangiere. Amüsiert hat mich, dass eines der Kinder schon im Schlaf eines der Hirtenlieder gesungen hat!"

Der Tiroler Schauspieler Edwin Hochmuth ist eine unverzichtbare Person auf und hinter der Bühne für die junge Schar. Heuer stellt der „Jaggerl“ als „Bleib beim Haus“ einen jungen Mann mit körperlicher Beeinträchtigung dar. „Früher gab es in jedem Dorf einen, der wegen seiner Behinderung immer versteckt wurde, wenn Besuch gekommen ist. Oft wurde er auch nicht in die Schule geschickt. Daran möchte ich mit dieser Bühnenfigur erinnern, dass es das lange auf dem Land gegeben hat“, so Hans Köhl, der die Geschichte Schnee in Bethlehem geschrieben hat und auch als Gesamtleiter für die Produktion verantwortlich ist.

„Trotz Buckel und Klumpfuß wird er von den Kindern respektiert. Er kann als einziger lesen und schreiben, wodurch die Behinderung in den Hintergrund tritt“, so Hochmuth über seine Rolle. Er kommt selbst aus dem Sozialbereich und hat jahrelang mit Behinderten gearbeitet. „Es ist wichtig, dass solche Themen und Figuren auch auf die Bühne gebracht werden, um zu zeigen, dass nicht jeder auf die Butterseite gefallen ist. Aber Kinder schauen drauf, wie der Mensch ist.“
(Salzburger Adventsingen/dpk)

Das Salzburger Adventsingen mit dem Titel „Schnee in Bethlehem“ findet von 25. November bis 11. Dezember 2022 im Großen Festspielhaus statt – www.salzburgeradventsingen.at
Bilder: Salzburger Adventsingen / Franz Neumayr_Leopold

 

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