Als das Wünschen doch nicht geholfen hat
LANDESTHEATER / ALL YOU NEED IS...?
15/06/20 Wahrscheinlich könnte man ihr auch eine beliebige Seite aus dem Telefonbuch oder eine Speisekarte hinlegen. Im Handumdrehen würde Sophie Mefan daraus eine tolle Gesangsnummer machen. Ein Abend mit ihr, einem Pianisten und einem Requisiten-Herbeiträger nach drei spielfreien Monaten in den Kammerspielen des Salzburger Landestheaters.
Von Reinhard Kriechbaum
Schwellenängste sind nicht am Platz, auch wenn man bei der Premiere von All You Need Is…? am Freitag (12.6.) im Foyer der Kammerspiele und auf dem Weg zum Sitzplatz noch den Mund-Nasenschutz hat anlegen müssen. Schwarze Bänder waren um die nicht vergebenen Sitze gelegt, auf dass ja niemand auf die Idee komme, das Schachbrett-Sitzsystem – 62 anstatt 160 Plätze – durcheinander zu bringen. Am Ende sogar noch eine kleine Überraschung: In die Bänder war ein Briefumschlag mit Abstimmungskarten geklemmt. Non, je ne regrette rien stand da als Zugabe zur Diskussion, aber auch Ich will keine Schokolade, ich will lieber einen Mann. Sogar Ich bin die Christel von der Post hätte Sophie Mefan drauf. Eigentlich schade, dass das keiner hören wollte.
A propos „Ich will lieber einen Mann“: Das kann ziemlich schief gehen. Eine junge Dame mit genau diesem Ziel im Leben denkt darüber nach, ob sich im Aerobic-Kurs oder in einem Kurs für Zauberkunststücke bessere Kennenlern-Chancen bieten. Wie die Sache für ausgeht? Sieben geschiedene Frauen im Zauberkurs, 26 Männer in der Aerobic-Klasse.
So viel zum Thema Lebensplanung, und da sind wir schon mitten drin im Programm All You Need Is…? Ideen hat sich Sophie Mefan aus einem Buch-und Blog-Bestseller geholt: Der Fotograf Brandon Stanton hat Tausende Humans of New York porträtiert und kurze Lebensbilder dazugeschrieben – und damit hat er einen Nerv von potentiellen Bloggern getroffen. Wie unterschiedlich Leben sein kann, wie sich Sehnsüchte dann doch bündeln (etwa auf Gleichberechtigung, aber auch auf glückende Partnerschaft), das kann man auf unterschiedlichen Social-Media-Kanälen nachlesen. Sophie Mefan nimmt's als Steilvorlage für einen pfiffigen Chansonabend. Mit der Unbekümmertheit ihrer Jugend stürzt sich die gebürtige Münchnerin mit besonderer Musical-Kompetenz in ihr Soloprogramm.
Ihre Spezialität ist eben das Singen. Nicht ohne Grund hat sie im Herbst des Vorjahres den Ersten Preis im Hauptwettbewerb des Bundesgesangswettbewerbs in Berlin gewonnen. Es ist toll, wie die 24jährige Schauspielerin und Sängerin bekannte Nummern eben nicht nur imitiert, sondern je eigenes Charisma einbingt. Juveniles Selbstvertrauen spricht aus dem Programm. Das wirkt alles irgendwie draufgängerisch, frisch von der Leber weg. Der Abend wird mitgetragen von Liviu Petcu an den Tasten und ist unaufdringlich inszenatorisch supervisiert von Janna Ramos-Violante.
Eine knackige Stunde feine Musik. Freilich sind die beiden Vorstellungen am Wochenende eher als Placebo zu werten, denn nach derzeitigem Stand bleiben die Lichter im Landestheater noch bis Mitte August abgedreht. Da geht es also uns Theaterfreunden so wie den meisten Damen in All You Need Is…? Dass das Wünschen noch helfen könnte, entspringt eher einer Grimm'sche Märchen-Idee.