Geht's den Feen gut, geht's dem Klima gut
LANDESTHEATER / OBERON
22/09/19 Ehekrach im Elfenreich. Ritter mit blankem Schwert auf Liebes- und Kriegspfad. Ur-Großmütter der Rheintöchter auf der Feenschaukel. Zoff mit Kalif und Emir wegen mehrfacher Entführungen aus Harem und Serail: Es geht rund in Carl Maria von Webers Feenoper Oberon. Und es geht rund – mit Charme und Selbstironie – in der Produktion im Landestheater zwischen Feen-, Franken- und Persischem-Reich.
Von Heidemarie Klabacher
Es geht rund bei den Elfen: Oberon und Titania haben wieder einmal gestritten. Unklugerweise über das Thema eheliche Treue. Und der beleidigte Elfenkönig hat geschworden, sich mit seiner Königin erst wieder zu vertragen, wenn ein Menschen-Paar einander selbst in größter Not und Gefahr die Treue hält.
Daher geht es rund bei den Menschen: Der Ritter Hüon von Bordeaux und Rezia, die Tochter des Kalifen von Badgdad, haben einander nur ein einziges Mal gesehen und sind seither unsterblich ineinander verliebt. Feenkönig Oberon zeigt sich dem Ritter und dessen Diener Scherazmin und hilft den beiden, Rezia und deren treue Dienerin Fatima aus den Klauen des Despoten – in der Produktion eine Figur à la Gadafi, die in einer Art Jandl-Persiflage à la Schtzngrm spricht – zu befreien. Das gelingt. Doch dann muss Puck erst recht das rettende Schiff zum Kentern bringen, denn die Liebe des Menschenpaars muss sich, laut Oberons Schwur, in größten Nöten bewähren. Erst als die Lage aussichtslos ist und Tod und Vergewaltigung drohen (und wegen der Krise im Elfenreich in der Menschenwelt die Erderwärmung auf ein unzulässiges Maß angestiegen ist) greift Oberon ein. Fazit: Geht's den Elfen gut, geht’s dem Klima gut. Kaiser Karl der Große genehmigt den Bund. Warum er den Ritter Hüon überhaupt ins Morgenland geschickt hat, wird nicht erklärt. Für einen Kreuzzug ist es im achten Jahrhundert doch noch etwas früh...
Carl Maria von Webers Feenoper Oberon ist inhaltlich also ein kunterbunter Mix aus Ludovico Ariostos Orlando furioso, allen je geschriebenen Türkenopern und Shakespeares Sommernachtstraum. Das Libretto von James Robinson Planché nach Christoph Martin Wielands Dichtung Oberon ist im Original in englischer Sprache abgefasst. Das eher plumpe und spürbar sperrige Deutsch ließ, bei allem Charme der Salzburger Aufführung, doch immer wieder die Frage aufpopen, warum man nicht wenigstens in der Originalsprache singt. Die kurzweiligen Dialoge mit wohldosierten Anspielungen auf aktuelle politische Lagen hätten ja trotzdem auf Deutsch geprochen werden können. Mix ist Mix.
Carl Maria von Webers Feenoper Oberon ist ein Werk des Übergangs, auch musikalisch ein kunterbunter Mix. Der Dirigent Ido Arad überrascht anfangs mit erstaunlich ruhigen Tempi. Aber diese lernt man alsbald zu schätzen. Denn der grundsätzlich ruhige Zugang gibt der Musik Webers Zeit und Raum, sich zu entfalten. Und damit den Zuhörern Zeit und Muße, sich in den Klang einzuhören. Diese Musik ist noch nicht Schumann oder Mendelssohn, noch nicht Rossini oder Donizetti (trotz sprübaren Hangs zur Stretta und vorbildlich virtuosen Sänger-Kadenzen). Webers letzte Oper (1826) lässt aber in erstaunlich vielen Momenten an Wagner denken. Und wie viele singend-klagende Cello-Soli den Raum erfüllen! Das Mozarteumorchester unter Ido Arad präsentiert sich zur Saisoneröffnung erwartungsgemäß in Bestform.
Den sich vor Sehnsucht nach Titania verzehrenden Oberon singt Franz Supper. Für unterhaltende Höhepunkte sorgt Gregor Schulz in der reinen Sprechrolle des Puck. Die Rolle des Hüon von Bordeaux gibt, mit deutlich mehr Krafteinsatz als seine facettenreiche Stimme nötig hätte, Roman Payer. Anne-Fleur Werner als Prinzession Rezia hat große Momente etwa in der Szene, in der sie Gewalt und Schönheit des Meeres beschwört. Das „Niedere Paar“ bilden George Humphreys als Hüons Diener Scherazmin und Shahar Lavi, die die Rolle der Dienerin Fatima mit größtem stimmlichen und darstellerischen Adel gestaltet. Alle Protagonisten haben ebenso viel zu sprechen, wie zu singen. Die schauspielerische Qualität innerhalb der Oper ist nicht genug zu loben.
Die Regie von Volkmar Kamm überzeugt mit Tempo und vielen ironischen Momenten. Homogen, spritzig und wortdeutlich singen Chor und Extrachor des Landestheaters – von Kostümbildnerin Katja Schindowski fantasievoll und semi-transparent ausstaffiert. Die Haupt-Figuren haben Tänzer-Doubles, die in der Choreographie von Kristian Lever mit der kantigen Sprache rein zeitgenössischen Tanzes die Emotionen der Figuren durchaus auf einer weiteren darstellerischen Ebene verstärken.
Die Bühne von Konrad Kulke wird dominiert von einem übergroßen Vollmond, der als Projektionsfläche für abstakte Malerei zugleich für Farbe sorgt. Charmant sind der instabile Thron des Elfenkönigs aus einem Rhön-Rad oder das halbkreisförmige Schiff, das ebenfalls wunderbar schaukelt. Die politischen Bühnen von Kalif und Emir erinnern an NS-Inszenierung und Personenkult in grenznahen Demokratien despotischer Anmutung. All das ist mit viel Understatement und Geschick auf die Bühne gebracht. Ein so lohnender wie unterhaltsamer Abend.