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Eine „Volksoper“ von heute

REPUBLIC / COMMUNITY OPER / WAS BLEIBT

29/06/18 Die Sängerin Frances Pappas und der Schauspieler Gero Nievelstein gründeten und leiten „Bridging Arts Salzburg“ und produzierten nun nach Brittens „Noahs Flut“ vor drei Jahren ihre zweite „Community Oper“ im „republic“: „Was bleibt … oder die Geschichte eines Rattenfängers“

Von Gottfried Franz Kasparek

Was mag eine „Community Oper“ sein? Der Begriff „Community Art“ kommt aus den USA und meint, vereinfacht ausgedrückt, eine Kunstform, die viel mit Teilhabe zu tun hat und verschiedene Gruppen von Menschen in künstlerische Schaffensprozesse einbindet. Ursprünglich der Bildenden Kunst verpflichtet, wird der Begriff heute auch auf Performatives angewandt. In der Oper „Was bleibt…oder die Geschichte eines Rattenfängers“ wirken professionelle Mitglieder des Landestheater-Ensembles, der Salzburger Orchester und der Universität Mozarteum Seite an Seite mit einer Menge von hoch ambitionierten Schulklassen, Musikern der Bergknappenmusikkapelle Dürrnberg (darunter auch eine Trompeterin), dem Chorprojekt der Mozarteum-ÖH „One Peace für Studierende und Geflüchtete“ und Spezialistinnen für Gebärdensprache mit.

Allein die Tatsache, dass diese bunte Mischung im akustisch fragwürdigen Raum eine intensive und berührende Opernproduktion bietet, ist bewundernswert. Da haben die Schweizer Regisseurin und Choreographin Rilkka Läser, der famos als Dirigent agierende Konzertmeister des Mozarteumorchesters, Frank Stadler, der Chorleiter und Co-Dirigent Algirdas Biveinis, Ausstatterin Sonja Böhm und all die andern beteiligten Profis tolle Arbeit geleistet. Die in diesem Saal notwendige Verstärkung gelang erfreulich dezent und tonschön.

Wenn man so will, war Musiktheater, vor allem die so genannte „Volksoper“, seit eh und je immer wieder auch eine Sache von „Communities“ und fand nicht nur in mehr oder weniger „elitären“ Tempeln statt. Es ist gut, immer wieder daran zu erinnern, dass zum Beispiel eine „Zauberflöte“ keinen höfischen Hintergrund hat. Darüber könnte man ein dickes Buch schreiben. Aber die im Prinzip falsche Nachrede, diese Kunstform sei abgehoben, taucht immer wieder auf und auch deshalb ist eine „offene“ Produktion wie diese Goldes wert.

Noch dazu haben der phantasievolle englische Komponist Matthew King und der Librettist Michael Irwin die starke Geschichte vom „Rattenfänger von Hameln“ dezent modernisiert. Die Stadt ist eine von heute, in der ein Feschak von Langzeit-Bürgermeister seine korrupt garnierte Eitelkeit pflegt (als Figur und Bariton höchst präsent: George Humphreys), umtänzelt von einem untertänigen „Handlanger“ (wie immer eine Bühnenpersönlichkeit: Elliot Carlton Hines) und einer auch im Bett des Bürgermeisters präsenten Sekretärin (liebenswert sogar als bebrillte Büroschlange und mit gestochen feinen Koloraturen: Laura Nicorescu). Die Rattenplage kündigt eine couragierte „Kammerjägerin“(eindrucksvoll in der Sprechrolle: die Schauspielerin Julienne Pfeil) an. Der „Pfeifer“, der Rattenfänger, zunächst der Erlöser, dann der Verführer, ist wahrlich eine mystische Figur mit Kung-Fu-Holzstab, ein graziler Magier. Der Altist Bernhard Landauer beherrscht die Bühne, sobald er sie betritt. Er singt so schön und so abgründig, dass man die Gänsehaut bekommt.

Matthew King hat sein Stück, ursprünglich eine englische Kammeroper, für die bestens gelungene deutsche Fassung bearbeitet – auch Jugendliche und Kinder durften sich daran in Workshops beteiligen. Das vergrößerte Orchester am Bühnenrand, perfekt gemixt aus Profis und Schülerinnen und Schülern, klingt plastisch und farbenprächtig. King mischt in seiner ambitionierten, in keinem Takt sich an Kinder anbiedernden, oft bezwingend lyrisch inspirierten und tonal zentrierten Partitur sensibel die Rhythmen, Klänge und Stile und erreicht in bester britischer Tradition Wirkung und Originalität.

Über die elektronische Klangteppich-Einleitung vor dem Beginn der Handlung kann man geteilter Meinung sein, sie stört aber nicht. Und ihr von Jugendlichen unterstützter Erzeuger, John Moore, begeistert in der Oper mit seinen virtuosen und abgründigen Saxophon-Duetten mit geschmackvoll eingesetzter Elektronik, immer dann, wenn der Magier auftritt. Die Regie schafft starke Bilder und bewegt die vielen Kinder, sei es in Alltagskleidern oder als gefährliche und dennoch irgendwie liebe Ratten, mit Verve – und stellt sie mitunter auch einfach als altmodischen Opernchor auf die Bühne. Wenn am Ende der Rattenfänger die Kinder der Stadt – nur ein Pärchen bleibt zurück und verkündet leise singend und gebärdend die traurige „Moral von der Geschicht’“ – auf eine Reise ins Unbekannte führt, still und langsam, zu einer betörend poetischen Weise, über die enge Treppe des Spielorts ins Nichts entschwindend, dann ist das so gar nicht das Ende einer „Kinderoper“ mit Trubel und Heiterkeit. Sondern großes Musiktheater. Und dann darf der herzliche Applaus einsetzen und nur langsam zu freundlichem Jubel werden.

Letzte Aufführung heute Freitag (29.6.) um 19 Uhr im republic – bridgingarts.info
Bilder: Bridging Arts /Workshop-Impressionen

 

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