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Wimmelbild mit Explosionen

PFINGSTFESTSPIELE / UNE FOLLE JOURNÉE

19/05/24 Auf Deckblatt ist es noch eine „Mozart-Da Ponte-Operngala“, im Programmheft-Inneren schon ein „inszeniertes Opernpasticcio“. Was die Sache besser trifft. Auf der Bühne ist die Eingangshalle eines Flughafens zu sehen, samt Blick auf wartende Flugzeuge. In der Halle wimmelt es vor Menschen, am Himmel vor Wolken. Dazu ein  Notausgang ins Paradies.

Von Gottfried Franz Kasparek

Jedenfalls ist Une folle journée – Ein toller Tag – ein vollgültiger Theaterabend geworden, der hoffentlich nicht nur dieses eine Mal gespielt wird. Denn der zweifellos von Prinzipalin Cecilia Bartoli inspirierte Regisseur Davide Livermore lässt etliche Hauptrollen aus den drei „Da Ponte-Opern“ an den Flughafen-Gates genau dies tun, was sie auch innerhalb der Stücke tun – menschliche Irrungen und Wirrungen darstellen, Gefühle ausloten, ironisch überspielen und zur Lustbarkeit des Publikums mit feinem Sentiment und praller Komik auf die Bühne hieven. Das ergibt, dank Mozarts zeitlos genialer Musik und vorwiegend Da Pontes wahrlich Shakespeare-haften Texten, ein unterhaltsames Pasticcio voll Liebe, Zwei- und Einsamkeit, Jux und Trauer, Eifersucht und Wahn. Samt eifrig agierendem Chor und einer Handvoll meist stumm, mitunter vielsprachig Stichworte bringender, stets präsenter Mit-Spielender entsteht ein tolles Wimmelbild des Lebens.

La Bartoli“, bekannt für ihre Verweigerung der Fliegerei, ist keine wirkliche Airport-Werbung zuzutrauen. Also wird die Halle zu einem endzeitlichen Ort, denn dahinter dräuen Streiks, Unwetter und brennende Jets. Mitten hinein in Don Ottavios Arie Il mio tesoro gibt es die erste, gegen Ende die zweite Explosion, gefolgt von Sternenhimmel und der von Davide Livermore in prachtvollem Italienisch verkündeten „Moral von der Geschicht'“, basierend auf der humanen Botschaft der Opern. Frieden und Freiheit sind möglich.

Das letzte Bild zeigt eine heitere Landschaft voll mit schwebenden Ballonen. In einem davon entschweben Susanna, also die Primadonna, und ihr Figaro in eine bessere Welt, aus der sie rechtzeitig für den Jubel am Schluss wieder zurückkehren. Für die passend bunte, zwischen Phantasie und Realität geschickt changierende, mitunter entfernt an die Wimmelbilder des Hieronymus Bosch erinnernde Szenerie mit stimmig eingesetzten Projektionen sorgten das italienische Damen-Trio „Giò Forma“, die Kostümbildnerin Mariana Fracasso, Licht-Designerin Fiammetta Baldiserri und das männliche Video-Duo „D-Wok“.

Im Zentrum der pausenlosen zwei knappen Stunden steht die Arie Non temer, amato bene, die Mozart eigentlich 1788 für die Wiener Fassung seines Idomeneo (warum spielt die niemand???) neu geschrieben hat, dem zum Tenor gewordenen Idamante in die Stimme. Später bearbeitete er sie für Nancy Storace als Sopran-Konzertarie. Der Text stammt übrigens, ausgenommen vielleicht ein kleines Rezitativ, nicht von Da Ponte, sondern vom ursprünglichen Librettisten der Oper, Giambattista Varesco. Ebenso wie der zur die c-Moll Messe „übermalenden“ Kantate Davide penitente, aus der im Finale vom patenten Chor machtvoll zitiert wird, von Saverio Mattei ist. Cecilia Bartoli, im Lauf des Abend auch eine quicklebendige und stimmlich die schönsten Erinnerungen hervorrufende Susanna, Zerlina, Despina und kurz sogar Dorabella, singt die Konzertarie mit heroischer Inbrunst und mit einem prominenten Partner am auf die Mitte der Bühne gerollten, sehr groß wirkenden Hammerflügel, Daniil Trifonov.

Im Lauf des Abends erfreuen Mélissa Petit (als balsamische Contessa und Fiordiligi). Lea Desandre (als sensibler Cherubino und freche Despina), Anna Tetruashvili (ein frischer junger Mezzo als Dorabella), Daniel Behle (mit echtem Mozart-Tenorschmelz als Ottavio und Ferrando), Alessandro Corbelli (was für ein pointensicherer Leporello!), Ruben Drole (ein etwas rauer, aber origineller Masetto und Guglielmo), der für den kurzfristig erkrankten Ildebrando D'Arcangelo wacker und locker eingesprungene Mattia Olivieri (Figaro und Don Giovanni) – und, nach lustigen Einlagen als stolpernder Kellner, mit der treffsicher artikulierten Basilio-Arie aus dem Figaro, Rolando Villazón. Und alle, inclusive „I. Canti di Orfeo“ und Bachchor Salzburg, spielen mit Lust und Laune, was das Zeug hält. Angefeuert werden sie von Maestro Gianluca Capuano, der einen transparent federnden Mozart-Stil mit, wenn es die Musik verlangt, durchaus auch schön langsam atmenden Tempi pflegt und sein hochkarätiges Originalklang-Orchester Les Musiciens du Prince – Monaco klug und sicher im Sinne Mozarts den Gegebenheiten des Großen Festspielhauses (zehn erste Geigen usw.!) angepasst hat. Und es auch schafft, die Leute auf der Bühne so liebevoll zu begleiten, dass man sie fast immer hört. Alles in allem niveauvolles Amüsement mit Tiefgang und Stoff zum Nachdenken. 

Bilder: SFS / Marco Borrelli      

 

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