Vom Höchsten
DIALOGE / BACH-BERG-BIRTWISTLE
02/12/19 So klug die Auswahl. So komplex die Beziehungen. So edel die Interpretation: Ein Konzert aus dem Musterbuch des Konzertwesens war der Abend Bach-Berg-Birtwistle mit Benjamin Schmid und den Salzburger Orchester Solisten.
Von Heidemarie Klabacher
Choralvorspiele waren das Bindeglied in einem Dialoge-Programm, dessen Werke hochkomplex miteinander verbunden und in ihrer gemeinsamen dramaturgischen Aussage doch ganz einfach gewesen sind: So geht Konzert.
In seinem Zyklus Bach measures für Kammerorchester aus 1996 vereint Harrison Birtwistle Bearbeitungen von insgesamt acht Choralvorpielen von Johann Sebastian Bach – dem Begriff „Bearbeitung“ freilich eine ganz eigene Dimension verleihend. Bei Bach mag man nicht von „Bereicherung“ reden, wer könnte Bach bereichern (wollen). Dennoch bekommen Klassiker wie Nun komm der Heiden Heiland, Christe du Lamm Gottes oder Erstanden ist der heil'ge Christ zusätzlichen überirdischen Schimmer oder auch, wie im Falle von Durch Adam Fall ist ganz verderbt, verstörende Qualität urmenschlicher Schwachheit, wenn die inhaltliche Bedeutung durch puren Klangzauber überhöht wird. Das bewirkt Birtwistles „Bearbeitung“ tatäschlich: Es ist keine simple Instrumentation oder Verfremdung mittels modernder Spiel- oder Satztechniken. Die Klangfarben von Streichinstrumenten, Holz- und Blechbläsern allein – mit alles auflösenden Einwürfen der Marimba oder des Glockenspiels – bewirken eine betörende Intensivierung der bekantnen Nummern.
Choralvorspiele also. Aus Bachs Orgel-Büchlein. In Alban Bergs Violinkonzert Dem Andenken eines Engels kommt gegen Ende ebenfalls ein Zitat aus einen Bach'schen Choralvorspiel (Oh Ewigkeit Du Donnerwort) vor, dessen Viertonmotiv (Es ist genug) zufällig die letzten vier Töne der Zwölftonreihe sind, die dem Konzert zugrunde liegen... Daran erinnerte Benjamin Schmid, bevor er mit den Salzburger Orchester Solisten das Publikum in die transparente Kammermusikfassung von Johannes Krall führte. Die Wiedergabe mit diesem hochkonzentrierten Solistenensemble war bestechend in ihrer Präszision und betörend in ihrer Klangsinnlichkeit – trotz oder vielleicht auch gerade wegen der Reduktion des Orchesterparts. Der Solopart bleibt hochvirtuoser, dennoch dennoch agierte Benjamin Schmid als Solist so mit-atmend und sich subtil zurücknehmend wo möglich, wie ein wahrer primus inter pares.
Alldem voran stand quasi als Prolog im Himmel eine klare, unprätentiös klangrednerische – also eminent musikantische – Interpreation des Doppelkonzerts c-Moll für Violine und Oboe BWV 1060, eines jener Werke, mit denen Bach sich selbst receycelt und diesfalls ein Konzert für zwei Cembali umgeschrieben hat: Zum Glück, kann man nur sagen. Die ins Überirdische ausschwingenden Kantilenen von Melodie-Instrumenten wie Violine und Oboe bekommen halt doch eine ganz eigene Qualität. Besonders, wenn ein Meister wie Benjamin Schmid an der Violine mit einem Meister der Oboe wie Kai Rapsch in Dialog tritt. Dass Menschen einander anders als mit größtem Respekt vor des anderen Meinungen und Sichtweisen begegenen und miteinander anders ins Gespräch treten könnten, als mit kundiger Aufmerksamkeit: Undenkbar nach dieser Begegnung zweier virtuos miteinander atmender und aufeinander hörender Experten.