Woran man zweifeln kann
DIALOGE FESTIVAL / MEDITATIONEN
20/11/19 „Schau alle Sachen an: Dies alles ist in dir. Laß deinen eitlen Wahn, und eh du fürder gehst, so geh in dich zurücke“, schreibt Paul Fleming 1641 an sich selbst. Mit der neuen Reihe Meditationen lädt das Festival Dialoge seine Gäste ein, an sechs Abenden in der Erzabtei St. Peter, mit sich selbst zu sprechen.
Von Franz Jäger-Waldau
Im 17. Jahrhundert entsteht eine neue Art Mensch. Ein Mensch, der vorerst genug getan hat, um nichts tun zu müssen. Außer zu sein, aber auch das ist unsicher. Denn sein Problem ist, dass er denkt. Selbstgespräche sind heute schwieriger. Wer sie führt, ist meistens eher unangenehm. Wer seinen inneren Stimmen antwortet, krank. Schwach, wer nicht in sich still sein kann, oder offenbar kein besseres Gegenüber findet, als sich selbst.
Überhaupt, dass da etwas ist, das nicht einfach durch der Glieder angespannte Stille geht und im Herzen aufhört zu sein, ist ziemlich peinlich. Eine Sprache, die vermieden wird, Worte, die überhört werden müssen, um einschlafen zu können. Und wenn die Besprechung passiert, gurgelt spätestens nach der Begrüßung endlich die Spülung. Stille ist, was nichts zu sagen hat.
An zwei Orten sind erlaubt: Im Irrenhaus und in der Kirche. Nicht Dialoge mit sich selbst, doch in sich selbst, die Eigenstimme verschoben von der Bühne zwischen die Zuschauer. Die Bühne dieser Dialoge wird die Erzabtei St. Peter sein. Hausherr Erzabt Pater Korbinian hebt einen Federball vom Marmorboden auf und schwingt seinen Schläger.
Sein für die Ruhe genähtes Gewand schwingt mit, nur das Pektoralkreuz um seinen Hals lässt sich die Bewegung nicht anmerken: „Federball in der Stifskirche St. Peter, etwas ganz Ungewöhnliches. Aber so ist das im Dialog. Zwei unterschiedliche Positionen wechseln sich ab, machen sich vernehmbar, werden gehört. Ich finde sehr schön, dass beim Festival Dialoge genau das verfolgt wird, Zeitgenössische Musik, eben auch eingebunden in einen traditionellen Rahmen.“
Zum Abschluss der einzelnen Konzerttage konzipiert das Festival Dialoge mit jungen Musikerinnen und Musikern an sechs Abenden ein geistig-geistliches Programm mit Musik und Texten aus allen Jahrhunderten. Unter dem Titel „Über das ab-wesen und das da-sein“ werden Oscar Jockel, Alexander Bauer, Valerie Fritz, Ruth Kemmna, Philipp Lamprecht, Veronika Obermeier und Elisabeth Wirth zu hören sein. Das Publikum erwarten bei freiem Eintritt jeweils dreißig Minuten-Reflexionen über uns selbst und die Welt.