Hass-Liebe?
SALZBURG 20:16 / BUCHPRÄSENTATION
19/01/16 Salzburg war schon längst eine Civitas, da wusste man bei der ersten Nennung Wiens noch nicht, ob der Ort oder der Fluss gemeint ist. Dann gab es irgendwann zwei „Hauptstädte“. Und schließlich wurde aus der einen Stadt eine Metropole und aus der anderen ein Provinznest… Zum Auftakt des Jubiläumsjahres „20.16“ ist das Buch „Salzburg – Wien: Eine späte Liebe. 200 Jahre Salzburg bei Österreich“ erschienen.
Von Heidemarie Klabacher
„Ressentiments, die aus den Bundesländern an Wien herangetragen werden, haben eine lange Geschichte, bis über die Erste Republik zurück. ‚Wien’ steht dabei meist für den ‚Bund’ und nicht für die Stadt Wien“, sagte Landeshauptmann Wilfried Haslauer heute Dienstag (19.1.) bei der Präsentation im Landesarchiv.
Das Buch sei – im Zuge der Vorbereitungen zum Jubiläumsjahr 20.16 – auch aus dem Bedürfnis nach einem „Neuanfang“ im Verhältnis zur Bundeshauptstadt heraus entstanden, „wenn man etwa als Landeshauptmann nicht gleich auf Wien einschlagen will“. Die Bundesländer sollen sich konstruktiv einbringen, wie etwa derzeit in die Bildungs- oder Asyldebatte, so Haslauer. „Es geht darum, gemeinsam vieles so zu gestalten, dass es im gesamtstaatlichen Interesse aller ist.“
In die gemeinsame Vergangenheit des „Liebespaares“ Salzburg/Wien blickt der Band 259 der Schriftenreihe des Landes-Medienzentrums „Salzburg – Wien: Eine späte Liebe. 200 Jahre Salzburg bei Österreich“.
Vom 7. Jahrhundert bis in die Gegenwart werden in zehn Essays die Entwicklungsgeschichten Salzburgs und Wiens zu einer gemeinsamen Vergangenheit verflochten. „Das Buch ist keine wissenschaftliche Gesamtdarstellung der Salzburger Landesgeschichte. Anliegen ist es vielmehr, ein Werk für jene Salzburgerinnen und Salzburger zu bieten, die einzelne Schlaglichter über die vielfältigen Beziehungen dieser beiden Zentren nachlesen wollen“, so Haslauer, der ein Vorwort verfasst hat.
Von Herwig Wolfram und Maximilian Diesenberger ist der Eröffnungstext „Auf den frühen Spuren einer späten Liebe. Von den Anfängen bis zum Ende des 15. Jahrhunderts“. Der Mittelalter-Historiker Herwig Wolfram, Jahrgang 1934, amüsierte bei der Buchpräsentation mit der ans Bonmot grenzenden Aussage, dass bei der ersten Nennung Wiens (vielleicht 881, wahrscheinlich aber erst 1030) eben nicht sicher ist, ob der Ort oder der Fluss gemeint ist.
Im Bundesland Salzburg – nämlich 1958 in Radstadt – geboren wurde der Kirchenhistoriker und Theologe Rupert Klieber. Er schrieb den Essay „Salzburg zwischen München und Wien: Eigenheiten, Glück und Ende eines (vor-) alpinen Kirchenstaates 1519 – 1816“.
Weitere Kapitel: „Salzburg und Wien im Spannungsfeld von Provinz und Metropole. Die Zeit von 1816 bis 1918“ vom gebürtigen Salzburger Historiker Robert Hoffmann oder „Auf der Suche nach Identität. Salzburg in der Ersten Republik“ von Alfred Höck, einem ebenfalls aus Salzburg stammenden Historiker.
Vom jungen Salzburger Historiker und Journalisten Andreas Praher, Jahrgang 1980, stammt der Beitrag „Vom Talboden an die Spitze des Reiches. Der Gau Salzburg in der NS-Zeit“, dessen letzter Satz eben bei einer Wiener Einzelperson die Wogen hat hochgehen lassen. Von Andreas Praher, ist auch der letzte Artikel im Buch „Von der Landesvertretung zur Netzwerk-Plattform. Die Geschichte der Salzburger Landesdelegation und ihrer 'Nachfolge-Vereine'“. Oskar Dohle (Bild ganz oben), Direktor des Salzburger Landesarchivs und einer der Herausgeber des Jubiläumsbandes, schrieb den Beitrag „Zeitabschnitte im Zeichen der Veränderung. Salzburg von 1945 bis ins 21. Jahrhundert“.
„Kulturellen Meilensteinen als sichtbarem Zeichen einer späten Liebe. Vom Ende des 19. Jahrhunderts bis zur Gegenwart“ spürte die Kunsthistorikerin und Ausstellungskuratorin Stefanie Habsburg-Halbgebauer nach. Ein gezieltes Streiflicht auf „Die Salzburger in Wien“ und ihre „Bemerkenswerten Aktivitäten in der 2. Hälfte des 19. Jahrhunderts“ wirft der 1937 in Salzburg geborene Geograf, Landeskundler und emeritierte Historiker Guido Müller.
Positiv ins Auge fallen beim ersten Durchblättern des großformatigen Buches das ansprechende Layout und die zahlreichen Abbildungen.
Wir vom DrehPunktKultur lieben Wien, aber wir lassen uns nicht gerne von einer „Einzelperson aus Wien“ vor sich her treiben. Darum behalten wir uns eine gründliche Lektüre und eine kritische Würdigung vor.