Ein paar hatten auch Mitleid
STOLPERSTEIN / DAVID SAMUEL MARGULES
14/07/20 Polizei und Security. Die bescheidene Synagoge von Salzburg wird bewacht, findet etwa ein Konzert dort statt. Anno 2020. Was hat sich geändert? Hat sich was geändert? Vor der Synagoge in der Lasserstraße jedenfalls wird heute Mittwoch (14.7.) ein Stolperstein verlegt – für David Samuel Margules, den letzten Rabbiner vor der Auslöschung der jüdischen Gemeinde von Salzburg im Jahr 1938.
Von Heidemarie Klabacher
Mit den Füßen kann niemand drüber stolpern, nur mit den Gedanken. Dieses Gedanken-Stolpern ist in Tagen eines wieder aufkeimenden Antisemitismus notwendiger denn je. Die kleinen Denkmäler, eingelassen in den öffentlichem Grund vieler Städte in ganz Europa, erinnern an Opfer des NS-Terrors. Der Stolperstein für Rabbiner Margules vor der Synagoge in der Lasserstraße wird der 442. in der Stadt Salzburg sein.
„Um die Vertreibung und Beraubung der jüdischen Familien zu beschleunigen, ließ die Gestapo-Stelle Salzburg auf Befehl des SS-Sturmbannführers Karl-Heinz Rux nachweislich 26 Juden der Geburtsjahre 1883 bis 1914, zuvorderst den Rabbiner Dr. Margules und den Präsidenten der Kultusgemeinde Otto Löwy, in das KZ Dachau deportieren. Registrierter Zugang am 12. November 1938.“
Das vierhundert Mitglieder zählende Personenkomitee Stolpersteine lädt heute Mittwoch (14.7.) zur 14. Stolperstein-Verlegung in der Stadt Salzburg: „David Samuel Margules war ab 1929 Landesrabbiner, stellte sich den Bedrohungen und gab sein Bestes – bis zur Auslöschung seiner Gemeinde im November 1938.“ Woher kam der letzte Rabbiner an der Salzach? Die Website des Projekts Stolpersteine bietet umfassende Biographien: „1920, nach dem Zerfall der österreichisch-ungarischen Monarchie und der Angliederung des Kronlandes Galizien an Polen, heiratete Dr. Margules, geboren 1884 in Lemberg, 35-jährig die 23-jährige Jüdin Rosa Zerline Leinwand aus Jaroslaw in Polen. Das Ehepaar hatte zwei Töchter“. Josefa Nina, Psychologin verstorben 2012, und Gabriele Ella, Künstlerin verstorben 2016, lebten in den USA. Von Josefa Nina Lieberman erschien 1982 die Biographie He came to Cambridge: Rabbi David Samuel Margules.
Darin erzählt sie, dass ihrer Familie und anderen bedrohten Glaubensgenossen in Salzburg durchaus auch Sympathie bekundet worden sei, allerdings von anonymen Briefschreibern. „Schwerwiegend war das Schweigen der christlichen Kirchen zum öffentlichen Juden-Pogrom.“
Rabbiner Margules war ein Mann der Mitte, hat sich etwa innerhalb der jüdischen Gemeinde um Vermittlung zwischen konservativen und zionistischen Kreisen, bemüht: „Wir wissen dank einer bislang unbeachteten Quelle, dass Dr. Margules am 15. November 1937 eine jahrelange Forderung der Zionistischen Ortsgruppe erfüllte, die Eröffnung einer jüdischen Bibliothek in der Synagoge“, erfährt man aus der Stolperstein-Biographie. Buchtitel seien nicht bekannt, dafür die Namen der ausnahmslos jüdischen Spender. Allein Stefan Zweig hat 1937 im Zuge der Räumung seines Hauses auf dem Kapuzinerberg der Kultusgemeinde 140 Bücher jüdischer Autoren der geschenkt. „Die Bücher sind unter dem nationalsozialistischen Regime spurlos verschwunden: Die Nachwelt sollte davon nichts erfahren.“
„Das antisemitische Salzburg wusste allerdings seit den 1920er Jahren, wer Jude – nach rassistischer Zuschreibung – war. Namen und Adressen stehen in den 'Judenlisten', die der Salzburger Antisemitenbund, auf Boykott und Vertreibung aller Juden abzielend, seit den 1920er Jahren publizierte und bis März 1938 in 'arischen' Geschäften verbreiten ließ. 'Achtung! Bei mir liegt zur Einsicht eine Judenliste von Salzburg auf! Hans Mösel – Zur Küchenfee, Salzburg, Linzergasse 56'“, stand, laut Stolperstein-Website, im Salzburger Volksblatt vom15. März 1938.
Die jüdische Gemeinde in Salzburg schrumpfte zusehends. In der achtjährigen Amtszeit des Rabbiners Dr. Margules ließen sich nur zwei Paare in der Synagoge trauen. Eine Familie emigrierte nach Palästina, die andere wurde 1944 in Auschwitz ermordet.
Die Rabbiner-Familie Margules hat überlebt, konnte nach England emigrieren und fand in Cambridge eine neue Heimat: „Drei Jahre nach Kriegsende erhielt Dr. Margules die britische Staatsbürgerschaft. Er starb 66-jährig am 10. Februar 1951 in Cambridge, seine Ehefrau 95-jährig im Jahr 1992“.
Ab heute Dienstag 14. Juli 14 Uhr erinnert ein Stolperstein vor der „seiner“ Synagoge in der Lasserstraße 8 an den Rabbiner David Samuel Margules - www.stolpersteine-salzburg.at
Bilder: Gabriele Margules/Leo Baeck Institute, The Edythe Griffinger Art Catalog; www.stolpersteine-salzburg.at