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Musikalische Therapien

FESTSPIELE / KAMMERKONZERT / TRIO ZIMMERMANN

25/08/17 Ein denkwürdiges, letztes Kammerkonzert. Unterschiedlicheres ist nicht zu denken, und doch zwang das Trio Zimmermann Musik von Arnold Schönberg und Johann Sebastian Bach zu einer schlüssigen Einheit.

Von Horst Reischenböck

Seit geraumer Zeit finden sich Frank Peter Zimmermann an seiner Violine, der Bratschist Antoine Tamestit und der Cellist Christian Poltéra, so es die Terminplanungen ermöglichen, mit ihren Stradivari-Instrumenten als Trio zu gemeinsamen Auftritten zusammen. So am Donnerstagabend (24. 8.) im Großen Saal des Mozarteums mit zwei Kompositionen in einem verbindendem Konzept, das sich dank der überaus überzeugenden Umsetzung spontan auf das Auditorium übertrug. Das Publikum folgte willig dieser inneren Hör-Therapie, stellten doch die insgesamt hundert Minuten Musik nicht geringe Anforderungen auch ans Mitdenken.

Schönbergs einziges Streichtrio op. 45 widerspricht gerade mit seinen fordernden Tönen bis an Geräuschgrenzen allen kulinarischen Erwartungshaltungen. In der Zeit, als dieses Stück entstand, erlitt Schönbergs einen Herzstillstand. Im Beginn spiegelt sich vielleicht eine Vorahnung, die sich in den extremen Klängen des ersten Hauptteils niedergeschlagen haben mag. Eine Injektion ins Herz verhinderte gerade noch den plötzlichen Tod. Im weiteren Verlauf spiegelt sich eigentümlicher Galgenhumor à la Schönberg, der sich nicht unbedingt entschlüsselt. Seinem Schüler Hanns Eisler gegenüber deutete der Komponist an, welche Akkorde die ihm verabreichten Spritzen darstellen. Also wohl eine Art kompositorischer Selbst-Therapie, in der Schönberg auch kurzfristig in unterschwellig anklingenden Walzertempi die Erinnerung an vergangene, bessere Zeiten wach rief. Die Wiedergabe durch Trio Zimmermann: ein denkwürdiges Ereignis.

Auch danach war volle Konzentration gefragt, für Bachs erste wahrhaft großen Variationen der Musikgeschichte. Unter dem Namen „Goldberg“ sind sie der vierte Teil seiner „Clavierübung“ BWV 988. Das Trio Zimmermann hat seine eigene Version erstellt, spielte also nicht wie vorab angekündigt genau jene Transkription, die der Geiger Dmitiri Sitkovetski 1984 in Hinblick auf das damals bevorstehende Bach-Jahr als Version für Streichtrio geschaffen hatte. Eine Bearbeitung der Bearbeitung mithin.

Die Goldberg-Variationen sind eine andere Art Therapie. Der Geschichte nach sind sie ja für einen schlaflosen Aristokraten geschaffen – wobei aus heutiger Sicht die Beschäftigung mit diesen Veränderungen dem Gedanken an Schlaf eigentlich widerspricht. Wenn solch Könner wie eben Frank Peter Zimmermann, Antoine Tamestit und Christian Poltéra wohltönend und in absolutem Einverständnis die Verästelungen des Stimmengeflechts aufdröseln, wird sowieso jede Müdigkeit weggeblasen.

Die Themenvarianten scheinen auch in den Tänzen durch, etwa im Passepied oder in der „Siciliana al tempo di giga“. Eine Zäsur bildet die pompös französische Ouvertüre inmitten, und im Quodlibet werden die Variationskünste auf den Gipfel getrieben. Danach entließ zart die Erinnerung an die Aria, den Ausgangspunkt dieses das Publikum hörbar überwältigenden Musik-Kosmos.

Bild: Salzburger Festspiele / Marco Borrelli

 

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