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Traum und Alptraum

FESTSPIELE / CREBASSA / SAY

09/08/17 Mit Henri Duparcs großem Lied Au pays où se fait la guerre dunkelte sich die Stimmung dramatisch ein. Dieser große Klangegesang einer Frau, die auf ihren in den Krieg eingerückten Mann wartet, führte – über Zeiten und Kulturen hinweg – direkt in die beängstigend aktuelle politische Situation seiner Heimat, von der Fazil Say mit seinen Kompositionen Gezi Park dramatisch berichtet.

Von Heidemarie Klabacher

Marianne Crebassa und Fazıl Say haben mit Vokal- und Klavierwerken von Ravel, Debussy, Fauré, Satie und Duparc abseits des gängigen Repertoires eine dramatische Geschichte erzählt. Höhepunkt: Werke von Fazil Say – hochpolitisch, klangsinnlich.

Es begann mit unbestimmter Sehnsucht nach dem Unbestimmten – nach einer Ferne etwa, die so ferne ist, wie das Märchen verspricht: Das erste Lied im dreiteiligen Zyklus Shéhérazade von Maurice Ravel auf Gedichte von Tristan Klingsor erzählt von einer Reise in das Traumbuch vom Orient. Gemetzel inklusive: „Ich möchte Rosen sehen und Blut“.

Die Mezzosopranistin Marianne Crebassa und der Pianist, Komponist und Performer Fazıl Say eröffneten ihren Festspielabend zunächst mit Maurice Ravels Vocalise-étude, einer leidenschaftlichen Habanera ohne Text – um dann mit Shéhérazade abzuheben.

Weder in der Harmonielehre noch in der Realität so richtig fix verankert ist Claude Debussys La cathédrale engloutie, die Fazil Say mit betörender Klangfülle zum Schweben brachte. Damit schien er aber genug zu haben vom Schweben und Träumen und setzte mit Minstrels, ebenfalls aus Debussys Préludes Livre 1 einen launig-jazzigen Kontrast.

In diesem Teil des Konzertes stand, ohne dass er sich bewusst dorthin vordrängte, der Pianist im Zentrum. Marianne Crebassa ließ erst über den tänzelnden ostinaten Klavierfiguren des Liedes Danseuse aus Mirages op. 113 von Gabriel Fauré mit ruhevoller Präsenz und souverän fokussiertem strahlendem Mezzo so richtig aufhorchen. Damit aber hatte sie ihr Publikum gepackt.

Mit drei Liedern von Claude Debussy, den Trois Mélodies de Verlaine, zogen Say und Crebassa die Stimmung des ersten Teils hinüber in den zweiten Teil. Auch die orientalischen Exotik-Klischees schienen noch einmal herbeizitiert, aber nur um ironisch gebrochen zu werden: mit den Trois Gnossiennes, drei Klavierstücken von Eric Satie, denen Fazil Say gar nicht gnostisch-mystisch sondern mit virtuoser Brillanz und stupendem Klangsinn begegnete.

Mit Henri Duparcs großem Lied Au pays où se fait la guerre dunkelte sich die Stimmung dramatisch ein. Dieser große Klangegesang einer Frau, die auf ihren in den Krieg eingerückten Mann wartet, führte – über Zeiten und Kulturen hinweg – direkt in die beängstigend aktuelle politische Situation seiner Heimat, von der Fazil Say mit seinen Kompositionen Gezi Park dramatisch berichtet. Zuerst spielte Say Gezi Park 2. Sonate für Klavier op. 52, eine so opulente wie bewegende Anklage, virtuos gespielt vom Komponisten. Danach erklang Gezi Park 3. Ballade für Mezzosopran in der Fassung für Mezzosopran und Klavier. Die Singstimme hat hier keinen Text, sondern – wie im ersten Stück des klug gebauten Abends – eine große Vokalise. Fazil Say spielt mit den Harmonien der Musik seiner Heimat ohne je Folkloristisch zu werden. Die Zugabe „Summertime“ war ebenso genial gewählt (weil das unterschwellige Jazz-Motiv aufgreifend), wie erlösend. Crebassa und Say jazzelnd: Ein Erlebnis.

Bilder: Salzburger Festspiele / Marco Borrelli

 

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