198 oder 200 Jahre "Stille Nacht"?
HINTERGRUND / JOSEPH MOHR
23/12/16 Das Stille-Nacht-Jubelfest wird erst in zwei Jahren zelebriert, denn am 24. Dezember 1818 ist es erstmals in der Kirche St. Nikola der jungen Pfarre Oberndorf erklungen, wohl nach der Christmette bei einer Krippenfeier. Aber der Text: Der ist schon heuer zweihundert Jahre alt.
Von Michael Neureiter
"Text von Joseph Mohr, Coadjutor 1816 m.p." Diese Zeile befindet sich auf der frühesten authentischen Überlieferung von Text und Melodie, und zwar in der Handschrift Mohrs. Das Autograph - es ist das einzige von Mohr, wogegen von Franz Xaver Gruber vier erhalten sind - entstand um 1820 und tauchte erst 1995 auf. Es belegt die Entstehung des Textes in Mariapfarr.
Mag sein, dass Mohr durch das dortige Tafelbild der Anbetung der Könige aus einem spätgotischen Flügelaltar um 1500 zur Formulierung "Knab im lockigten Haar" angeregt wurde. Das Bild mit dem auffällig blondgelockten Jesuskind ist seit 1897 Teil des neugotischen Hochaltars der Pfarrkirche Mariapfarr.
Mohr war von 1815 bis 1817 dort Hilfspriester. Es war das „Jahr ohne Sommer“ nach dem Vulkanausbruch des Tambora in Indonesien. In Mariapfarr traf Mohr noch seinen Großvater, dessen Tod er im Sterbebuch eintrug.
Joseph Mohr wurde am 11. Dezember 1792 als drittes von vier unehelichen Kindern der Strickerin Anna Schoiber in der Stadt Salzburg geboren und im Dom getauft – er wurde also in der Dompfarre geboren. Zu seinem Geburtshaus gibt es viele Vermutungen. Sicher ist, dass Mohr 1794 als Kleinkind im Haus Steingasse 31 wohnhaft war (im Bild). Es ist nicht jenes Gebäude an der Imbergstiege, an dem bis vor kurzem die Gedenktafel angebracht war. Die Häuser, die erst in napoleonischer zeit überhaupt Hausnummern bekommen hatten, waren damals anders nummeriert.
Nach dem Besuch des Gymnasiums in Salzburg verdiente Mohr sich einen Teil seines Unterhalts als Sänger und Instrumentalist der Salzburger Universität, des Stifts St. Peter bzw. der Stiftsmusik Kremsmünster - von 1808 bis 1810 besuchte Mohr dort das Lyzeum. 1811 trat er in das Salzburger Priesterseminar ein. Seine theologischen Studien schloss er im August 1814 ab. Trotz seines jugendlichen Alters wurde Joseph Mohr am 21. August 1815 im Virgil-Oratorium des Salzburger Doms mit neun anderen Weihekandidaten zum Priester geweiht. Er hatte das damals vorgeschriebene Alter von 25 Jahren noch längst nicht erreicht und brauchte wegen des „defectus aetatis“ eine Dispens.
1817 kam Joseph Mohr dann wegen gesundheitlicher Probleme von Mariapfarr nach Salzburg und nach Oberndorf. Die "Uraufführung" des Liedes in der Heiligen Nacht 1818: Da spielte Joseph Moor Gitarre (die Bronzeskulptur in Oberndorf zeigt Gruber mit dem Instrument) und er sang die obere Stimme, der Liedkomponist Franz Xaver gruber die Unterstimme. Vielleicht sind Chor und Volk ins "Schlafe in himmlischer Ruh'" eingefallen.
1819 endete Joseph Mohrs Dienst in Oberndorf. Er war dann mehrere Jahre in verschiedenen Pfarren im heutigen Tennengau und Flachgau im Einsatz. Nach neun Jahren als Vikar in Hintersee wurde er 1837 als Vikar nach Wagrain versetzt, wo er am 4. Dezember 1848 kurz vor seinem 56. Geburtstag an den Folgen einer Lungenlähmung starb.
Der Dichter des „Stille Nacht!“ war bei der Obrigkeit nicht so schlecht angeschrieben, wie die meisten Biographen aufgrund der Beschwerden seines direkten Oberndorfer Chefs Georg Heinrich Nöstler anzunehmen geneigt sind. Der Dechant mit Sitz in St. Georgen stellte ihm ein gutes Zeugnis aus. Und in Salzburg muss er als wortgewaltig und theologisch versiert gegolten haben, weshalb er für den 16. März 1819 als Fastenprediger im Salzburger Dom eingeladen wurde.
Neben dem damaligen Subprior P. Aloys Stubhahn OSB vom Kloster St. Peter, der bis 1810 Dekan der theologischen Fakultät war, neben dem Kapuziner-Guardian P. Bonus und neben P. Werigand Rettensteiner (Chorregent von Michaelbeuern und mehrfacher Textdichter für seinen Freund Johann Michael Haydn) wird auch „Herr Joseph Mohr, Koadjutor zu Österreichisch-Laufen“ angeführt. Der erst 27jährige Oberndorfer Kooperator Joseph Mohr befand sich als Fastenprediger also in durchaus namhafter Gesellschaft.
Wohl hatte der missgünstige Oberndorfer Pfarrprovisor Nöstler hatte Mohr beim Dechant in St. Georgen wie auch in der Salzburger Zentrale wegen seines Lebenswandels und wegen fehlendem Fleiß im Studium wie in der Seelsorge angeklagt. Mohr singe „oft nicht erbauliche Lieder...“ Doch damit scheint Nöstler den vorgesetzten Dechant in St. Georgen und die Salzburger Zentrale nicht nachhaltig beeindruckt zu haben - die ehrende Einladung zur Fastenpredigt im Dom ist ein Beleg. Wohl gibt es Hinweise aus späterer Zeit, dass man an Mohr gelegentlich „kein dem Priesterstande angemessenes Betragen beobachtet“ habe.