Zweitausend Zuhörer von überallher
HINTERGRUND / LITERATURHAUS
28/05/20 „Wir sind froh, dass nach wochenlanger Ungewissheit endlich Regeln für den Kulturbetrieb existieren“, sagt Literaturhaus-Leiter Tomas Friedmann. Das Online-Format Live-Lesen, aus der Not geboren, war ein durchschlagender Erfolg.
Mit dem bisherigen Verbot von Kulturveranstaltungen bis Ende Juni 2020 hat das Literaturhaus Salzburg ein digitales Format erfunden und eingerichtet, um österreichischen Autoren (honorierte) Auftrittsmöglichkeiten im Netz zu ermöglichen und das Kulturleben weiter lebendig zu gestalten. Am 22. März startete auf der Facebook-Seite des Literaturhauses das kostenlose, literarische Anti-Corona-Programm Live-Lesen – täglich um 20 Uhr. Mit der 75. Sendung am 3. Juni wird dieses Format eingestellt. Insgesamt waren dann 47 Autorinnen und 28 Autoren eingeladen, eine Stunde lang aus aktuellen Büchern und Manuskripten zu lesen, Lyrik wie Prosa. „Jede Lesung wurde im Schnitt zweitausendmal aufgerufen, insgesamt erreichten wir rund 150.000 Menschen“, freut sich Friedmann.
Spitzenreiterinnen waren Stefanie Sargnagel (im Bild), gefolgt von Ursula Poznanski. Besonders nachgefragt waren auch die Online-Auftritte von Doron Rabinovici, Birgit Birnbacher, Anna-Lena Obermoser, Franzobel, Michael Stavaric und Sabine Gruber. Bis 3. Juni lesen noch Andrea Grill, Marc Elsberg, Ilija Trojanow, Bettina Balàka, Ludwig Laher und Anna Herzig.
„Die Bereitschaft und das Engagement der Autoren für Live-Lesen war riesig“, freut sich der Literaturhaus-Leiter. Der Aufwand an Planung und Organisation, an technischer Vorbereitung und Unterstützung, an Betreuung und Bewerbung sei ähnlich jener für eine Abend-Veranstaltung im Literaturhaus gewesen. „Spannend ist, dass wir durch das Angebot ein internationales Publikum erreichen konnten, das sogar über den deutschsprachigen Raum hinausreicht: von Norwegen bis Italien, von Irland bis in die Ukraine, von New York bis Taiwan.“ Ob man auch künftig digitale Formate zusätzlich anbieten werde, wird noch diskutiert.
Wie geht es jetzt im Literaturhaus weiter? Nun gilt es, die schriftliche Verordnung aus Wien gut zu studieren. Denn, so Friedmann, es brauche Rechtssicherheit und eindeutige Formulierungen. Für Veranstalter wie das Literaturhaus sind auch Haftungs- und Kontrollfragen von Belang. Auch da hofft Tomas Friedmann auf Klärung in der aktuellen Verordnung. In manchen Bereichen (Kartenvorverkauf, Kassa, Café etc.) seien möglicherweise entsprechende Maßnahmen der Hygiene nötig, d. h. eventuell bauliche Veränderungen. „Wenn vom Kulturministerium die Verordnung vorliegt, kann unter diesen Bedingungen seriös geplant werden.“
Noch wichtiger: „Wir brauchen dringend klare Aussagen, ob im September der Vollbetrieb wieder möglich ist. Wir warten mit Autoren, Verlagen und dem Buchhandel ungeduldig auf das Signal für die Herbstplanung, damit die erforderlichen Druckwerke jetzt in Auftrag gegeben, damit Veranstaltungen, notwendige Reisen, Hotelübernachtungen etc. jetzt fix geplant und gebucht werden können.“ Denn man wolle nicht noch einmal vor die Situation gestellt werden, rund hundert Veranstaltungen kurzfristig absagen, sämtliche Folder, Plakate, Karten usw. wegwerfen und den Ausstellungsbetrieb schließen zu müssen. (Literaturhaus Salzburg)