Kein Überleben ohne Digitalisierung
IM GESPRÄCH / MICHAEL BILIC
01/12/11 „Man muss die Digitalisierung der Kinos pragmatisch sehen“, sagt Michael Bilic. Der Leiter des Salzburger Filmkulturzentrums „Das Kino“ im DrehPunktKultur-Gespräch über die Causa prima der österreichischen Lichtspielhäuser.
Von Reinhard Kriechbaum
Könnte an der Digitalisierung überhaupt ein Weg vorbeiführen? Nein, sagt Michael Bilic, „es wird uns keine Wahl bleiben“. Im Gegenteil, die Situation habe sich zugespitzt. Im Herbst 2012 werde man wohl auch das Salzburger Programmkino umgestellt haben müssen. „Die Filme werden von den Verleihern bald nur noch in digitalisierter Form geliefert“, erklärt der Salzburger „Kino“-Leiter. Es werde also immer schwieriger, Filme auf der „altmodischem“ 35-Millimeter-Rolle zu bekommen. „Ein Beharren auf der alten Technik hätte wirtschaftliche Folgen“.
Digitalisierung heißt nicht, dass künftig anstatt einer Filmrolle eine DVD oder Ähnliches von Kino zu Kino geschickt wird. Man stellt sich am besten eine variable Riesen-Festplatte vor, die von den Verleihern via Internet oder Satellit „gespeist“ wird. Das jeweilige Kino erhält für seine Vorstellungen ein Passwort, womit die Vorführer in einem vereinbarten Zeitfenster auf die Daten zugreifen können.
„Der Apparat selbst ist etwas voluminöser als die bisherigen Abspielgeräte“, erklärt Michael Bilic. Das sei der teuerste Teil. Ein Thema ist aber auch die Klimatisierung des Vorführraumes, denn die digitalen Daten dürfen’s nicht zu warm bekommen. Deshalb erfordert die Digitalisierung einen Aufwand zwischen 80.000 und 90.000 Euro pro Kinosaal.
Die Programmkinos und kleinen Kinounternehmen im Land müssen solche Beträge erst stemmen. Für die österreichischen Programmkinos hat der Bund bereits 20.000 Euro pro Saal bereitgestellt. Je 20.000 Euro, verteilt auf zwei Jahre, erhofft „Das Kino“ von Stadt und Land Salzburg. „Dann fehlen immer noch 20.000 Euro.“
Frankreich hat es besser: Dort wurde ein Gesetz erlassen, dass die Verleihe für die Kinos die Umstellungskosten mittragen müssen. Für Film-Erstaufführungen zahlen die französischen Filmverleihe den Kinos 550 Euro. „In Österreich gibt es leider kein solches Gesetz“, klagt Michael Bilic. Es gebe bisher keine verbindlichen Abmachungen mit den Verleihen.
Die Verleihfirmen sind ja die wahren Nutznießer der Technik, denn sie ersparen sich das Herstellen von Filmkopieren. „Da geht unter 1.000 Euro nichts“, weiß Bilic. Mit Untertitelung müsse man für eine konventionelle Filmkopie schon mit 2.000 Euro rechnen. „Wenn der Verleih den Kinos also 550 Euro zahlt, erspart er sich trotzdem den gleichen Betrag – und danach verdient der Verleih alleine.“ In Frankreich läuft das Gesetz, das die Verleihfirmen in die Pflicht nimmt, drei Jahre.
„Ich glaube nicht, dass wir ohne Digitalisierung überleben würden“, sinniert Michael Bilic. Er getraue sich nicht vorauszusagen, wie die Kinolandschaft – vor allem in Hinblick auf die kleinen Kinounternehmen – künftig aussehen wird. „Eine Frage auch: Was, wenn sich die Technik in fünf Jahren wieder ändert?“
Im Prinzip hat die Kino-Projektionstechnik hundert Jahre nach demselben Prinzip funktioniert. So lange hält auch ein konventioneller Film. Das Aufbewahren und Sichern des digitalisierten Materials ist durchaus noch nicht gelöst. Die Frage ist auch, ob man die Daten auf Dauer dechiffrieren wird können angesichts einer sich in immer kürzeren Intervallen erneuernden Technik. „Wie stellt man künftig eine Retrospektive zusammen“, überlegt der „Kino“-Programmmacher Bilic laut, „das wird spannend – da verändert sich schon die Landschaft auch.“
„Die Lager sind voller Filmkopien“, so Bilic. Deshalb bleibt auf jeden Fall in jedem der beiden Vorführräume ein „klassischer“ Filmprojektor stehen.