Hahn Falstaff im Wäschekorb
REST DER WELT / MONACO / FALSTAFF
22/03/10 Monaco, das Steuer- und Spielerparadies an der Côte d’Azur, verfügt nicht nur über ein von Charles Garnier erbautes Casino im zweiten Empire-Stil, sondern auch über einen Miniaturnachbau der Pariser Oper Garnier im gleichen Gebäude.Von Oliver Schneider
Staunen macht nicht nur der reich dekorierte Saal, sondern auch die Fensterfront zum Meer hin, bis sich die Vorhänge kurz vor Vorstellungsbeginn schliessen. In diesem Haus sind das Ballett von Monte-Carlo und die Opéra Monte-Carlo zu Hause. Auch ein Teil der Veranstaltungen des Konzertfrühlings findet hier statt, in dessen Rahmen das Ensemble Intercontemporain und Nicholas Angelich am Samstag (20.3.) in einem vierstündigen Marathon Werke von Lachenmann Brahms gegenüber stellten.
Die Opernsaison in Monte-Carlo ist kurz und eher konventionell. Heuer standen und stehen in der Salle Garnier „Les contes d’Hoffmann“, Mozarts Figaro und „La Bohème“ im Stagione-Rhythmus auf dem Spielplan. Für größere Werke - zu Beginn der Saison Turandot - bietet das moderne Grimaldi-Forum einen Alternativspielort. Die Besetzungen heute und in der Vergangenheit lesen sich wie ein „Who is Who“ der Sänger: Domingo, Pavarotti, die Schwarzkopf, Thomas Hampson, immer wieder Roberto Alagna sind nur einige der illustren Namen. Seit vergangenem Freitag reiht sich auch Bryn Terfel ein, der in einer Neuproduktion von Verdis „Falstaff“ den verspotteten Ritter singt.
Operndirektor Jean-Louis Grinda erzählt die Shakespeare-Adaption als Fabel und macht den dicken Ritter und Redenschwinger zum Gockel. Der sprichwörtliche Hahn im Korb wird hier zur Realität. Enten - das Ehepaar Ford -, allerlei Vögel, Federvieh und Katzen führen ihn an der Nase herum, während der dumme Esel Dr. Cajus am Ende Bardolfo statt Nannetta zum Altar führt (Kostüme: Jorge Jara). Gespielt wird mit Begeisterung und Geschick zwischen Buchdeckeln von Shakespeares Werken (Bühne: Rudy Sabounghi). Sehr viel mehr lässt die Bühnentechnik wohl auch nicht zu. Grinda konzentriert sich in seiner Regie vor allem auf den Schabernack, wenn die Tierschar dem eitlen Hahn einen Denkzettel verpasst. Der gesellschaftliche Hintergrund kommt etwas zu kurz. Sei’s drum, das Publikum am Premierenabend, fast ausnahmslos in Abendkleid und Smoking, war begeistert.
Bryn Terfel ist seit der Staatsopernpremiere 2003 zu einem grandiosen Sir John Falstaff gereift. Mit seiner Bühnenautorität füllt er die verschiedenen Facetten des Charakters aus und schöpft stimmlich aus dem Vollen. Auch der Rest des Ensembles kann sich hören lassen, vor allem Aga Mikolaj als Alice mit geschmeidigem Sopran und Fabio Capitanucci als ausdrucksstarker und gehörnter Ford. Routinier Gianluigi Gelmetti sorgt am Pult des Philharmonischen Orchesters mehrheitlich für vitale Begleitung sowie Koordination zwischen Bühne und Graben. Mehr auf dem CD-Markt wird man ab Beginn der nächsten Spielzeit vom monegassischen Orchester hören. Unter der Leitung seines Chefdirigenten Yakov Kreizberg produziert es zurzeit die ersten Aufnahmen seines eigenen Labels.