Aus Haydns Zauberkasten
SOLITÄR / THE VAN SWIETENS
10/0//23 Der junge Dirigent Thibault Back de Surany hat am Mozarteum unter anderem Gambe studiert und spezialisiert sich jetzt mit seinem Originalklangorchester The Van Swietens vor allem (aber nicht nur) auf die Musik der Wiener Klassik. Zu Joseph Haydn hat dieses Ensemble sehr viel zu sagen.
Von Reinhard Kriechbaum
Kann man von einem Orchester, in dem Musikerinnen und Musiker aus vierzehn Ländern beisammen sind, sagen, dass es in Salzburg beheimatet ist? Einige Mitglieder haben hier studiert, leben auch hier. Andere kommen von weit her und spielen in angesehenen internationalen Ensembles. Es ist ein sympathisch-buntes Häuflein junger Spezialisten auf den jeweiligen historischen Instrumenten. Es spiegelt die Internationalität der Szene, vor allem aber das beachtliche spieltechnische und stilistische Niveau, das längst auch im Bereich Alter Musik vorausgesetzt wird. Das ist State of the Art.
Seit knapp zwei Jahren gibt es The Van Swietens. Das Konzert unter dem Motto Haydn tanzt am Donnerstag (6.7.) im Solitär der Universität Mozarteum war erst ihr zweites. Das Debüt haben sie vor anderthalb Jahren, im Jänner 2022 in der Szene gegeben. Drängen lässt man sich offensichtlich nicht. Dafür konnte man nun ambitioniert vorbereitete, fabelhaft eloquent durchgestaltete Interpretationen der drei Tageszeiten-Symphonien hören.
Diese Stücke – Le Matin, Le Midi, Le Soir – aus dem Jahr 1761 sind Musterbeispiele für die „Sturm und Drang“-Epoche in der Musik. Haydn war damals frischgebackener Vize-Kapellmeister am Esterházy'schen Hof und hat seinen Orchester-Zauberkasten ganz weit aufgemacht. Mit seinen originellen Erfindungen hat er wohl nicht nur seinen Dienstgeber überrumpelt. Auch als heutiger Hörer kann man sich dem Faszinosum dieser Stücke nicht entziehen. Satz um Satz Ideen-Feuerwerke, die Thibault Back de Surany und seine Musikerinnen und Musiker mit nicht wenig Raffinement zu zünden wussten.
Diese Symphonien (die Nummern sechs bis acht) halten höchst anspruchsvolle Soli bereit, wobei die Kontrabass- und Fagott-Episoden jeweils in den Trioabschnitten des Menuetts natürlich besonders aufhochen lassen. Der Konzertmeister, sein Pult-Nachbar und die Stimmführer sind mannigfach gefordert: Insbesondere für die langsamen Sätzen hat sich Haydn geradezu ausufernde instrumentale „Opernszenen“ ausgedacht, voller Finten und Winkelzüge. Mit viel Witz und Erfindungsgeist hat man dies nachgezeichnet.
The Van Swietens sind so gut klanglich konsolidiert und auf eine schlüssige Rhetorik eingeschworen, dass man auch nicht entfernt auf die Idee käme, dass man es hier ja doch mit einemTelefonbuchorchester und nicht mit einem ständig probenden Ensemble zu tun hat. Thibault Back de Surany ist ein Orchesterführer mit sehr klaren Vorstellungen.
Und der Tanz? Den hat der SEAD-Absolvent Reinier Martínez Bedilla mit zwei Kolleginnen aus Slowenien und Italien,Simone Stangova Giulia Di Stefano, beigesteuert. Keine Werk-füllenden Choreographien, sondern knappe Minuten-Statements, wie eingestreut in die Symphoniesätze, Stimmungen aufgreifend, spielerisch entwickelt vom Solo bis zum Pas de trois. Ja, zu solchen musikalischen Interpretationen lässt sich gut weiterdenken mit Körpersprache. In solch moderner Lesart hat auch ein Menuett nichts mehr von biederem Schreittanz an sich, und das trifft sich dann perfekt mit Haydns Sturm- und Drang-Angeboten.
www.thevanswietens.com
Zur Hintergrund-Geschichte
Der „Baron Fuge“ steht Pate für Altes und Neues