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Mit leichtem Finger

CD-KRITIK / TARTINI / SVIRIDOV

21/03/19 Von C.Ph.E.Bach über Quantz bis Leopold Mozart haben alle Lehrbuch-Schreiber der Epoche die Verzierungsanweisungen des Giuseppe Tartini übernommen, und zwar weitgehend unverändert. Die Anweisungen in den Violinstimmen seiner Sonaten sind also der gleichsam kanonisierte Zierrat der Zeit.

Von Reinhard Kriechbaum

Aber das Notierte ist trotzdem nur Vorlage, ein Angebot. Es enthebt einen Interpreten noch lange nicht der kreativen Auseinandersetzung. Das macht Evgeny Sviridov nicht nur Satz um Satz, sondern Phrase um Phrase bewusst in diesen Tartini-Sonateneinspielungen mit Referenzqualitäten: ein souverän-selbstverständlicher Umgang mit dem Gestus der Musik paart sich bei dem aus St. Petersburg stammenden Geiger mit bewundernswertem nachgestalterischen Erfindungsreichtum und einer Ehrfurcht einflößenden technischen Souveränität.

Das Booklet ist etwas geizig, was das Biographische anlangt: Der 1989 geborene Geiger ist, schon bevor er sich mit der Barockgeige auseinanderzusetzen begann, mit Auszeichnungen von renommierten Wettbewerben heimgekehrt, darunter „Yehudi Menuhin“ in Cardiff, „Premio Paganini“ in Genua und „Jascha Heifetz“ in Vilnius. 2010 gewann er den Ersten Preis beim Bachwettbewerb in Leipzig, 2016 und 2017 folgten die Ersten Preise bzw. Publikumspreise bei den Wettbewerben in Rouen (Concours Corneille) und Brügge (Musica antiqua). Eine Frucht letzteren Bewerbs ist die vorliegende Tartini-CD. Seit 2015 ist Evgeny Sviridov Konzertmeister des Concerto Köln.

Der von Tartini in einem Brief angesprochene „leichte Finger“ sei einer der Wege, die Trillerketten zu bändigen, so der Geiger im Booklet. Das heißt: kein festes Aufsetzen des Triller-Fingers, sondern es gilt, diesen „mit Wendigkeit und Leichtigkeit zu schlagen“, wie es Tartini formuliert. Auch bei den Appoggiaturen hält's Evgeny Sviridov klar mit Tartini, sprich: so gut wie immer kurze Vorhalte, es sei denn, sie dienen in den langsamen Sätzen ganz unmittelbar dem Affekt.

An solchen Affekten mangelt es freilich nicht. Wie ein gewiefter Erzähler geht Evgeny Sviridov das an, immer auch darauf bedacht, den Hörer nicht vorschnell mit einem Zuviel an Ausdruck zu übersättigen. Er lässt Hör-Kapazitäten, die dann den raschen Sätzen zugute kommen, denn dort liegen die eigentlichen Höhepunkte dieser Interpretation. Man nehme als Beispiel den zweiten Satz der Sonata 12 F-Dur op.1: Fein angriffig, mit deutlichem Zug vorwärts legt der Geiger das Thema an, in der Lautstärke noch zurückhaltend. Jeder neue Verzierungsgedanke zieht dann kleine, aber entschieden zielgerichtete Veränderungen der Stimmung nach sich. Da wird man hinein gezogen in einen Sog der Dramaturgie, in der keine virtuose Note als Selbstzweck erscheint. Aber dann erst das Menuett, eine Bezeichnung, die in der Lesart von Evgeny Sviridov zu kurz greift! Ruhig lässt er das gesangliche Thema ausschwingen, kostet dann die oft latente Zweistimmigkeit so aus, dass die Sache im Verein mit dem Violoncello wie eine verkappte Triosonate wirkt. Spektakulär die Variation mit den gegenläufigen chromatischen Linien. Dazwischen kommt aber auch die spielerische, entwaffnend-direkte Fingerläufigkeit zu ihrem Recht.

Evgeny Sviridov hat nicht nur im Sonaten-Fundus von Opus eins gegrast (inklusive der den Werkreigen höchst effektvoll abschließenden „Pastorale“), sondern sich auch zwei der 26 „Piccole Sonate“ vorgenommen. Diese eigenwilligen Stücke kann man wahlweise als Geigen-Solostücke hernehmen, oder die ad libitum gedachte Cellostimme dazu holen. Klar eigentlich, dass das Violoncello (ein partnerschaftlicher Energiespender: Davit Melkonyan) vor allem in den motorischen, tänzerischen Teilen zu seinem Recht kommt.

Giuseppe Tartini: Violinsonaten op. 1/5, 10 und 12, op. 26/15 und 17, Pastorale. Evgeny Sviridov (Violine), Stanislav Gres (Cembalo), Davit Melkonyan (Violocello). Ricercar (391)

 

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