Hämmerchen anstatt Rosshaar
CD-KRITIK / BEETHOVEN / CLAIRE HUANGCI & DEJAN LAZIĆ
06/02/19 Beethoven-Fans, aufgepasst! Wie viele Klavierkonzerte schuf er tatsächlich? Im Vorfeld von Beethovens 250. Geburtstag (2020) kam seine eigene Bearbeitung des Violinkonzerts zum Konzert für Klavier und Orchester D-Dur op.61a gleich zwei Mal auf den Markt.
Von Horst Reischenböck
Wieviele Klavierkonzerte also? Er selbst nummerierte und bekanntlich nicht in chronologischer Reihenfolge des Entstehens offiziell fünf. Dabei „vergaß“ er auf die so genannte Chorfantasie op. 80 auch einzubeziehen und erwähnte auch nicht, dass er 1784 in Bonn einen in Solopart und Klaviertranskription des Orchesterparts erhaltenen Dreisätzer in Es-Dur (WoO 4) komponiert hatte. Dieses „nullte“ Klavierkonzert ist in der Rekonstruktion der Begleitung durch Willy Hess 1968 erstmals in London uraufgeführt worden. Es gibt auch noch einen D-Dur-Konzertsatz aus seiner Jugend ist ebenso überliefert. Und nicht zu vergessen aufs „Tripelkonzert“.
Der Pianist Muzio Clementi, den Beethoven durchaus schätzte, während ihn Mozart anlässlich eines Wettstreits noch „als bloßen Mechanicus“ abqualifiziert hatte, wirkte auch als Musikverleger in London. Dort wollte er für ein Honorar von £ 200 das D-Dur-Violinkonzert op. 61 drucken. Zusätzlich animierte er den Komponisten, zwecks besserer Verkaufs-Chancen dessen Solo auch selbst für Klavier zu adaptieren. Katalogisiert als Opus 61a wurde es lange Zeit als eher nicht adäquat angesehen. Immerhin Peter Serkin und Daniel Barenboim haben sich dieses Werks angenommen.
Dejan Lazić, ehemals Student am Mozarteum in Salzburg, sucht für seine Aufnahmen spezielle Aspekte. So wurde er während der Beschäftigung mit Beethoven parallel bei dessen Auftraggeber Clementi fündig. Dessen Klaviersonate in h-Moll op. 40 Nr. 2 bezog er mit ein und er erinnert auch an den heute genauso links liegen gelassenen Virtuosen Johann Baptist Cramer. Ein Jahr jünger als Beethoven, betitelte dieser seine E-Dur-Sonate op. 62 „La retour à Londres“. Sie ist übrigens Beethovens Sekretär Ferdinand Ries gewidmet.
Schon ob dieser Raritäten ist die Einspielung von Lazić mehr als bloß interessant, sie gewinnt aber vor allem durch seine Sicht auf das Beethoven-Konzert, mit Beethovens Kadenzen unter Einbeziehen der Pauken. Es ist, begleitet vom Netherlands Chamber Orchestra unter der bestimmenden Leitung von Gordan Nikolić, eine hörenswerte Interpretation.
Der Einsatz von Claire Huangci, die auch schon mit dem Mozarteumorchester Salzburg musizierte, wirkt im Vergleich dazu zwar ähnlich engagiert, wenngleich eine Spur reservierter, weil sie das Werk vom Ansatz her weicher zeichnet. Das ist möglicherweise dem noblen Chefdirigenten Howard Griffiths geschuldet, der sein Brandenburgisches Staatsorchester Frankfurt a. d. Oder auch eher auf Distanz hält. Mehr Gewicht verleiht der Dirigent den der Aufnahme beigegebenen „Beethoven Rarities“, der Musik zu einem Ritterballett WoO 1 und „Wellingtons Sieg oder die Schlacht bei Vittoria“ op. 91, das ihm als Engländer wohl besonders am Herzen liegt.