Altgolden und zeitlos
CD-KRITIK / KROPFREITER / ALTDORFER-PASSION
05/04/19 Der Bindestrich ist wichtig. Denn Augustinus Franz Kropfreiters „Altdorfer-Passion“ hat nichts mit einem Dorf zu tun, sondern mit den Passionstafeln des Albrecht Altdorfer aus dem 16. Jahrhundert. „Die Kunst der Donauschule“, eine Ausstellung im Stift St. Florian anno 1965, inspirierte den Stiftsorganisten zu einem atmosphärischen Kammeroratorium.
Von Gottfried Franz Kasparek
Jetzt ist Kropfreiters Stück endlich auf CD greifbar. Der lebensfrohe, auch mit urigem Witz gesegnete Augustiner Chorherr und langjährige Organist und Regenschori des „Bruckner-Stifts“ gilt als einer der wesentlichen Schöpfer neuerer Orgelmusik aus Österreich. Schon als 14jähriger hatte er 1950 in seiner Heimat in Hagelsberg/OÖ begonnen, Salonmusik und Volkslieder zu arrangieren und zu variieren. Helmut Eder war dann ein wichtiger Lehrer, doch noch bedeutender war die intensive Beschäftigung mit der altmeisterlich geerdeten Moderne Paul Hindemiths und der spirituellen Kraft eines Frank Martin oder Jehan Alain.
Bis zum Tod Kropfreiters 2003 entstanden mehr als 400 Stücke. Ein Großteil davon ist geistlicher Natur, doch war der unermüdlich schaffende Musiker auch mit drei Symphonien, Instrumentalkonzerten, drei Streichquartetten, sonstiger Kammermusik, Liedern, Klaviermusik und allerlei Unterhaltsamem bis hin zu einer späten „Fritzi-Polka“ erfolgreich. Zwar beschäftigte er sich in reiferen Jahren intensiv mit der Zwölftontechnik und fand zu einem originellen, polytonalen und farbenreichen Stil, doch die alles zertrümmernde Avantgarde war seine Sache nicht. Es ist höchste Zeit, diesem beeindruckenden, nur zum Teil verlegten und kaum eingespielten Oeuvre mehr Aufmerksamkeit zu widmen.
Die Passion bezieht sich zwar auf die Bilder Altdorfers, doch ging es dem Komponisten nicht um tönende Illustration, sondern um das künstlerische Programm des Malers und sein eigenes Empfinden beim Betrachten der Kunstwerke. Die Partitur kommt ohne Violinen und Schlagwerk aus. Zwei Bratschen, zwei Celli und ein Kontrabass bilden samt dezentem Orgelpositiv eine magisch-dunkle Grundierung, die durch die solistisch besetzten Holzbläser und ein Horn mitunter wundersam „singend“ aufgehellt werden. Es gibt keinen Chor, sondern nur die Baritonstimme Jesu Christi und, welch schöne Idee, eine Mezzosopranistin gleichsam als „Evangelistin“. Die Texte stammen aus allen vier Evangelien, aber auch aus Psalmen und Prophezeiungen des Alten Testaments. Die Geschichte wird in etwa 45 Minuten konzis und mit wenigen expressiven Höhepunkten nacherzählt. Vorherrschend ist verinnerlichte, kammermusikalisch aufgefächerte, Meditation. Die Musik strahlt eine gleichsam altgoldene, aber zeitlose Spiritualität aus, die sich mit Vorbildern wie Frank Martins „Polyptyque“ vergleichen lässt, aber durchaus zu eigener Klanglichkeit findet. Ja, wie Peter Peinstingl, Stiftskapellmeister zu St. Peter in Salzburg und ein feiner, sensibler Musiker, sagt: „Kropfreiter hat Martin’scher als Martin komponiert…“
Unter Peinstingls spürbar liebevoller und kundiger Leitung musiziert die Stiftsmusik St.. Peter klangschön und präzise. Christa Ratzenböck und Martin Achrainer singen mit Hingabe und Ausdruckskraft die Solopartien. Als eine Art Ouvertüre gibt es auf der CD „In memoriam A.F.K.“ (2018), eine Hommage Günther Firlingers an seinen Freund Kropfreiter. Schöne, spirituell empfundene Musik für die Besetzung der „Altdorfer-Passion“, mit einigen, sicher bewältigten expansiven Anforderungen an den Bariton, nach Texten des Hl. Augustinus. - Eine wichtige CD, die so manches Osternest schmücken kann!