18/12/17 Tatjana, die bisher ihr Buch nicht weggelegt hat, scheint sich hinter dem überlangen, schmalen Tisch (dem einzigen Ausstattungsstück dieses kargen „Eugen Onegin“) verstecken zu wollen. Und ist doch ganz Auge, ganz Blick für den jungen Mann. Onegin schaut geradlinig auf sie: Liebe auf den ersten Blick.
11/12/17 Siebzehn Jahre hat sie bereits auf dem Buckel: Willy Deckers Inszenierung von Alban Bergs „Lulu“. In der Direktion Holender hatte man das Werk um die männermordende Femme fatale in der zweiaktigen Fassung gezeigt. Willy Decker hat seine in einer stilisierten Zirkusarena spielende Produktion um den dritten, von Friedrich Cerha komplettierten Akt ergänzt, so dass nun die ganze Tragik der Lulu und der ihr verfallenen Männer zu erleben ist.
07/12/17 Der Herzog kommt als Karl Lagerfeld daher, die schöne Barbara als Jacky O. Überhaupt feiern die Sechzigerjahre fröhliche Urständ‘ bei den Society-Ladies in Venedig. Dem „Holden Venezia“ selber wird klug mit stilisierten Gondeln und Brücken gehuldigt. Musikalisch und sängerisch ist „Eine Nacht in Venedig“ ein einziger Hit.
06/12/17 „Die Weiber lügen nicht … die Wahrheiten wechseln nur für sie“, sagt Anatol mit Kennermiene. Er, der selbst trickst und betrügt wie ein Teufel, hält das andere Geschlecht für nicht mehr als für Fake News fähig. Ein Widerling sondergleichen.
05/12/17 „Am Anfang stand die Behauptung von Claudio Abbado, dass zeitgenössische Musik in Wien in die großen Säle gehört und diese auch füllen kann. Das haben wird nach dreißig Jahren offensiv auf die Probe gestellt.“ Die am 1. Dezember beendete Jubiläumsausgabe des Festivals Wien Modern verzeichnete über 20.000 Gäste und 31 ausverkaufte Veranstaltungen.
04/12/17 „Das Gedicht hat keinen Grund. Aber ein Untergrund schon.“ So aphoristisch muss einer das scheinbar Absichtslose einer Kunst, die dann doch den Urgrund literarischer Sprache gewaltig aufrührt, erst beschreiben. Kein Wunder, dass „Broken German“ vor etwas über einem Jahr mit Urgewalt hinweg gefegt ist über die Feuilletons.
20/11/17 Eine kleine Freiheitsstatue war das Willkommensgeschenk drüben in der neuen Welt. Jetzt steht sie herum, neben den Campingsessel. Ein Ding, mit dem der alte Mendel Singer nichts anfangen kann, so wie sich diese neue Welt für ihn überhaupt anfühlt, als ob er in den falschen Film geraten wäre.
13/11/17 Ein Windhauch hätte genügt. Aber es war der Sturm der Französischen Revolution, der das fragile Schloss hinweg gefegt hat – samt Graf und Gräfin und allen anderen, die da vor lauter erotischer Erregtheit die ganz andere Erregtheit – sprich die Not – der gewöhnlichen Menschen übersehen haben.