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Damen. Gondeln. Gaudium.

OPER GRAZ / EINE NACHT IN VENEDIG

07/12/17 Der Herzog kommt als Karl Lagerfeld daher, die schöne Barbara als Jacky O. Überhaupt feiern die Sechzigerjahre fröhliche Urständ‘ bei den Society-Ladies in Venedig. Dem „Holden Venezia“ selber wird klug mit stilisierten Gondeln und Brücken gehuldigt. Musikalisch und sängerisch ist „Eine Nacht in Venedig“ ein einziger Hit.

Von Heidemarie Klabacher

Gestritten wird, dass die Fetzen fliegen, geschmachtet, dass die Brücken seufzen. Die gar nicht so kleine Bühne in der Oper Graz reicht bei weitem nicht aus für die überbordenden Emotionen: Um den Orchestergraben herum führt ein Steg, mit dem Bühnenbildner Ashley Martin-Davis die kosenden und keifenden Protagonisten dem Publikum so nahe bringt, als wäre es selber damit gemeint.

Das aufkochende und kaum einmal sich wieder einkriegende Temperament ist Wesensmerkmal dieser „Nacht in Venedig“, in der tatsächlich alles stimmt: Der Mond, die Gondeln, die Sängerinnen und Sänger, das Orchester, der Dirigent - und ihr mitreißendes gemeinsames Tempo in der schlüssigen Regie von Peter Langdal.

Der Herzog von Urbio reist also zum Karneval nach Venedig, weil er eine Dame wiedersehen will, bei der er im Vorjahr schon Teilerfolge erzielen konnte. Das weiß auch der Gatte besagter Dame und will seine schöne junge Barbara in Sicherheit – und für die närrische Zeit in ein Kloster auf der Insel Murano – bringen lassen. Barbara freilich will sich gar nicht mit dem Herzog, sondern mit ihrem gleichaltrigen angeheirateten „Neffen“ vergnügen. Ihre Halbschwester, die Fischhändlerin Annina, soll an Barbaras Stelle ins Kloster geschippert werden. Anninas Geliebter freilich verrät ausgerechnet dem Barbier des Herzogs, dass diesem die schöne Beute vorenthalten werden soll… Soweit so blöd.

Was Leading-Team und Ensemble der Oper Graz aus dieser Story machen, ist ein einziges großes Vergnügen auf anregend hohem Niveau – musikalisch, sängerisch und darstellerisch. Tänzerisch nicht zu vergessen, denn das Grazer Ballett liefert reizvolle Beiträge.

Über das inhaltliche Niveau und das Menschenbild der Operette – Frauen sind Kokotten oder Tschapperl, Männer dauergeile Weinsteins oder greise Versager – soll nicht diskutiert werden. Und jegliches Befremden über inhaltlichen Quatsch schmilzt in dieser so heiß gekochten wie servierten „Nacht in Venedig“ von Johann Strauß Sohn dahin wie Schnee.

Marius Burkert leitet das Grazer Philharmonische Orchester mit Verve, zündet immer wieder Klangfunken in den Instrumentalsoli. Macht sich das Orchester da und dort auch beinah vorlaut bemerkbar, nimmt man doch immer wieder rechtzeitig Rücksicht auf die Solisten.

Gespielt wird die Korngold-Fassung. Tatsächlich ist die souveräne Wiedergabe bei allem Temperament so transparent, dass immer wieder Klänge aufblitzen, die in der Instrumentierung für Augenblicke an den Komponisten der Toten Stadt denken lassen. Erich Wolfgang Korngold hat 1923 und 1929 für das Theater an der Wien einzelne „schwächere“ Strauß-Nummern durch bessere ersetzt, für Richard Tauber die Partie des Herzogs quasi neu geschaffen und mit Hits wie „Sei mir gegrüßt, du holdes Venezia“ oder „Treu sein, das liegt mir nicht“ aufgepeppt.

Das Ensemble bietet individuelle und kollektive Spitzenleistungen. So erfreut man sich an Glanz und Schmelz der Stimmen von Lothar Odinius als Herzog Guido von Urbino, Alexander Geller als herzoglichem Barbier Caramello und Ivan Oreščanin als Nudelkoch Pappacoda.

Die Handlung voran und die Verwirrspiele auf die Spitze treiben freilich die Damen Elena Puszta als Annina und Sieglinde Feldhofer als Ciboletta. Wie zwei Susannas aus dem Figaro ziehen sie die Fäden – zu ihrem eigenen Amüsement (dabei hochmoralisch dem jeweiligen Geliebten treu bleibend) und zum Nutzen und Frommen besagter Geliebter spielen sie ihr Spiel mit dem törichten Herzog, der gar nicht mitkriegt, dass alle diese „Barbaras“ gar nicht die Gemeinte sind. Die richtige Barbara Delacqua, der Elisabeth Pratscher elegant Stimme und Gestalt leiht, vergnügt sich mit ihrem Neffen Enrico, den Benjamin Rufin als Marineoffizier wunderbar zu karikieren weiß. – Bunt. Flott. Virtuos. Ein großes Vergnügen auf anregend hohem Niveau!

Eine Nacht in Venedig – nächste Aufführung am 10. Dezember, weitere Aufführungen bis 2. März 2018 – www.oper-graz.com
Bild: Oper Graz/Werner Kmetitsch

 

 

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