asdf
 

Besser eine Dirn als die vielen Kühe

HOFHAYMER-FESTTAGE / DAS MÖNCHS-FINALE

14/10/24 Nun haben Anne-Suse Enßle und Philipp Lamprecht nach elf Jahren ihr großes Projekt zum Mönch von Salzburg abgeschlossen haben: die Gesamtaufführung all seiner Lieder.

Von Erhard Petzel

Das ursprüngliche Konzept der Kombination von alter Musik und Uraufführungen prägt nach wie vor das Konzert-Geschehen der Internationalen Paul Hofhaymer Gesellschaft. Durch die Komprimierung von Konzerten vor Ort auf drei Tage haben sich Lamprecht und sein Team den Spielraum für ein differenziertes Angebot mit neuen Ideen geschaffen. So fanden beispielsweise aM Samstag (12.10.) ein Symposium zum Mönch con Salzburg und am Nachmittag eine Radausfahrt zu bespielten Stätten statt. Ein guter Anlass für den hier werkenden Rezensenten, Kompetenzen zu erwerben und erweitern, wenn er sich denn hätte frei machen können. So bleibt es beim Rückblick auf die beiden abendlichen Konzerte in der Kirche zu St. Erhard im Nonntal.

Der erste Konzertblock, Teil 25 der Gesamtaufführung der Musik des Mönchs, wird vom Ensemble Leones gestaltet. Das Thema: Lieder des Mönchs im Jahreskreislauf wie auch im Tagesablauf. Baptiste Romain führt das Quartett an, wenn er mit Dudelsack einzieht. Sein hauptsächliches Instrument als Partner für die Stimmen ist die Fidel. Zu der greift auch Marc Lewon, Leiter des Ensembles. Der spielt auch Quinterne und bevorzugt Laute. Manche Lieder werden instrumental angeboten. Sabine Lutzenberger und Raitis Grigalis nehmen sich mit angenehm schlanken Stimmen der Lieder an. Programmzettel ermöglichen das Mitlesen der Texte. Die beiden Stimmen wechseln sich ab und setzen ihr Potential ein, um die Strophen der Lieder zu gestalten. Geht es um den Untarnslaf, tun sie sich in einer an Organum orientierten Mehrstimmigkeit zusammen, wobei die Rollenaufteilung die dominierende Aktivität bestimmt. Zwei Liebende haben sich beim Mittagsschlaf etwas zu intensiv miteinander beschäftigt und fürchten Spott, weil die Kühe ungemolken getrieben werden. Es ist aber auch zu schön, von der Dirn zum Liebesspiel angehalten zu werden. Moral aus diesen Umständen: „Ain frische wolgemute diren / kan vnd waiz gelympf; / dar vmb sorg nyman vmb dy yren, / es ist nür yr schympf.“

Die Hauptarbeit an Differenzierung liegt im Arrangement mit den Instrumenten. Wie auch im folgenden Konzert, werden fingerbrecherischen Ornamente unisono durchgefetzt, wobei hier der Reiz des Zusammenklangs von gezupfter und gestrichener Linie an Duos aus dem Jazzbereich denken lässt. Zur Aufweitung der Einstimmigkeit werden Bordun, Melodien mit Quinten und Oktaven angereichert und so Schwerpunkte gesetzt, bis zur Aufweitung zu archaischer Polyphonie durch behäbige Fundierung oder gewitzte Umspielung. Zur Minne und typischen Tageliedern kommen Marienlieder, auch mit Bezug zum Jahreslauf und der Verkündigung mit Folgen, und Betrachtungen zum neuen Jahr. Nach einer Pause im Pfarrsaal mit Gelegenheit zur Kontaktnahme zwischen Publikum und Künstlerschaft kommt es zum Grande Finale in der Kirche.

Entsprechend biegen sich die aufgestellten Podeste unter der Last des Instrumentariums. Zum Hofhaymer Ensemble sind nun voices unlimited, astrophil & stella, Ensemble Leones, Ars Choralis Coeln, Les Haultz et les Bas aufgeboten – und natürlich Anne-Suse Enßle im Duo mit Philipp Lamprecht. Sie alle zelebrieren zusammen mit dem Publikum als Schlussorgie den Martins-Kanon. Teil Sechsundzwanzig (und Ultimo) der Gesamtaufführung des Mönchs bringt zunächst Lieder mit unterschiedlichem Hintergrund und eine Uraufführung von low skies and higher grounds für Subbassflöte und Percussion von Oscar Jockel. Eine äußerst effektvolle Musik mit zahlreichen Ekstasen und Tempo-Orgien mit Flatterzunge und Überblas-Irrwitz. Dann folgen Lieder zur Feier der Eucharistie in Volkssprache. Zur Klanggewalt von Pauken, Posaunen und Pommern zu Beginn spannt sich ein bunter Bogen stimmlicher und instrumentaler Klangkultur durch das Konzert.

Etliche Einrichtungen und Arrangements wurden von Philipp Lamprecht beigesteuert, der sich offenbar nicht geschont hat für die technische und organisatorische Bewältigung dieses Vorhabens. Iv ich jag rekonstruierte er zu einem äußerst lebendigen und mitreißenden dreistimmigen Kanon mit Christian Hollerweger und Thomas Schneider. Ein erfolgreicher und beeindruckender Treffpunkt einer weit gestreuten Familie Gleichgesinnter im Dienste der Belebung unseres so Salzburg-spezifischen musikalischen Erbes.

 

DrehPunktKultur - Die Salzburger Kulturzeitung im Internet ©2014