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Anno Domini

STICH-WORT

02/01/25 Was für ein Kuddelmuddel! Die Juden lassen bis heute die Zeitrechnung mit der Erschaffung der Welt und somit der ersten Menschen beginnen. Wenn man ihnen glauben dürfte, wäre dies vor 5.785 Jahren geschehen. Die Muslime halten im Jahr 1446, denn für sie ist die Hidschra, der Auszug von Mekka nach Medina, der weltbewegende und deshalb die Zeit festlegende Punkt.

Von Reinhard Kriechbaum

Wann haben eigentlich die Christen begonnen, ihre Zeitrechnung an der Geburt Jesu dingfest zu machen? Das ist genau 1500 Jahre her. Ein rechenbegabter Mönch namens Dionysius Exiguus ist auf die Idee gekommen. Seine Anregung, die Jahre doch „ab incarnatione Domini“ zu zählen, bestimmt auch nach anderthalb Jahrtausenden den Kalender weltweit. Hätte Dionysius das geahnt, hätte er sich selbst wohl nicht den allerhöchste Bescheidenheit spiegelnden Beinamen „Exiguus“ (der Kleine, Unbedeutende) gegeben.

Wieso Dionysius Exiguus im Jahr 525 auf päpstlichen Auftrag hin ins Rechnen gekommen ist? Was kalendarische Angelegenheiten anlangt, herrschte in der Antike größte Unordnung. Das betraf den Umgang mit den Mondzyklen und das notwendige Einfügen von Schalt-Monaten ebenso wie den tatsächlichen Tag des Jahreswechsels. Die Jahreszählung orientierte man an der Gründung Roms (für uns: 753 v. Chr.), aber auch da gab es Unschärfen. Mit dem Schwinden der Macht Roms wurde dieser Termin allmählich obsolet. Frühe Christen begannen von der „Märtyrer-Ära“ weg zu zählen, dem Regierungsantritt des besonders grausamen Christenverfolgers Diokletian (284 n. Chr.).

Für die Christen war damals die Geburt Jesu eher Nebensache, viel relevanter war der sich am Frühlingsvollmond orientierende Ostertermin. Die ersten Ostertafeln hatten Die ersten Ostertafeln erstellten Theophilos und sein Nachfolger Kyrillos, Patriarchen von Alexandria, bereits seit Ende des 4. Jahrhunderts. Erstellt, aber die waren abgelaufen. Also begann der Gelehrte Dionysius Exiguus an den Osterterminen zu tüfteln.

Mit seiner Rechnerei kam ihm auch der Gedanke: Wieso die Zeitrechnung mit den Christenverfolgungen beginnen und nicht mit der „Nativitate Domini“? Papst Johannes I. hielt das auch für klug. Freilich dauerte es dann: Beda Venerabilis, ein englischer Benediktiner, vervollständigte die ursprünglich nur auf 95 Jahre (532–626) ausgelegten Oster-Tafeln des Dionysius bis ins Jahr 1063. Damit erlangte die Zeitrechnung nach Dionysius Exiguus allmählich innerkirchliche Anerkennung. Beda verwendete die Zeitrechnung erstmals in seinen historischen Schriften.

Die Fürsten des frühen Mittelalters zogen noch lange ihre eigenen Herrschaftsjahre zur Datierung vor, ebenso wie Bischöfe und Päpste. Ins allgemeine Bewusstsein des Volkes wurde die Zählung ab „Anno Domini“ wohl spätestens mit der Kaiserkrönung Karls des Großen zu Weihnachten 800 gerückt. In amtlichen Dokumenten zur Regel wurde sie in Westeuropa gegen Ende des ersten Jahrtausends.

Zwei Probleme hat Dionysius Exiguus uns hinterlassen: Laut Bibel wurde Jesus in der Regierungszeit des Herodes. Der starb freilich spätestens vier Jahre vor Christus. Nun muss man freilich die Bibel so wörtlich nicht nehmen. Das zweite Problem ist die Null, die in der Antike noch nicht als Zahl gewertet wurde. Stellt man sich die Jahreszählung als Lineal vor, so begann Dionysius Exiguus auf der Skala mit eins und nicht mit null. Das gilt auch für die Zählung der Jahre vor Christi Geburt.

Nachwirkungen der römischen Monats- und Jahreszählung haben sich bis heute gehalten: Die Römer ließen das Jahr mit März beginnen, weswegen der der neunte Monat bis jetzt September heißt und Weihnachten zwar in unseren zwölften Monat, aber eben den Dezember (den zehnten) fällt. Der Jahreswechsel mit März ist auch der Grund, dass der Schalttag alle vier Jahre nicht – wie es eigentlich logisch wäre – vor Jahresbeginn, also zu Silvester eingeschoben wird, sondern als 29. Februar.

Die uns geläufige Jahreszählung ab „Anno Domini“ ist jedenfalls auch in Zeiten schwindender Bedeutung der Kirche unangefochten. Das war eine Weichenstellung mit internationaler Dauerwirkung“ betont der Salzburger Theologe, Historiker und Turmuhrmacher Michael Neureiter. Dionysius Exiguus, der auch frühchristliche Konzilsbeschlüsse und päpstlichen Dekrete gesammelt und übersetzt hat, kann zufrieden von Wolke sieben herabblicken und stolz auf sich sein.

Bild: Wikimedia

 

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