Sturm und Wind pfeifen auf Erlösung
OPER GRAZ / DER FLIEGENDE HOLLÄNDER
26/04/22 Grad erst ist in Salzburg die Elsa aus dem Lohengrin ihrem seltsamen Schicksal – Täterin und Opfer – enteilt, da macht sich in Graz auch schon die Senta aus dem Holländer über die Proszeniums-Loge auf und davon und pfeift auf Objektserhöhung und Erlösung.
Von Heidemarie Klabacher
Es ist an sich ein ganz „klassischer“ Holländer. Die Titelfigur steigt wie von Rembrandt gemalt aus der Tiefe der Zeit herauf, die Oper selber spielt auf leerer schwarzer Bühne im Konzept von Mechthild Feuerstein. Ein paar Gemälde – nachgemalt den Originalen der Münchner Erstaufführung von 1864 – sind die einzigen Ausstattungsstücke. Abgesehen von der reich gefüllten Schatzkiste, für die Daland seine Tochter Senta an den Fremden zu verscherbeln nur zu willig bereit ist, und abgesehen von den Wollhaspeln. Die hat da jemand mit Spinnrocken verwechselt oder auch ganz bewusst eingesetzt, weil sie sehr effektvoll und zugleich deutlich einfacher zu handhaben sind, als Spinnräder.
Die Geschichte der Wollerzeugung mal hintangesetzt, ist Der fliegende Holländer in der Oper Graz vom Premierenpublikum wohldosiert und sehr differenziert beklatscht und sehr gezielt bejubelt worden.
Jubel gab es für Mario Lerchenberger, Strahlemann – stimmlich und darstellerisch – für seinen Steuermann. Er war das leitmotivische Glanzlicht der sonst unter „respektabel“ zusammenzufassenden gesanglichen Leistungen. Ebenfalls herausstechend war Maximilian Schmitt, der als Sentas Jugendliebe oder eingebildeter Verlobter Erik gegen Ende seinen bewegenden und überzeugenden Auftritt hat. Mareike Jankowski als Sentas Amme Mary hat nicht viel zu sagen, ihre Versuche, die vom alten Bild des geisternden ewigen Seerfahrers verblendete Jugendliche auf vernünftige Pfade zu geleiten, sind stimmlich ebenso überzeugend wie von Wagner dramaturgisch zum Scheitern verurteilt.
Neben Lerchenberger und Jankowski als drittes Mitglied im Ensemble der Oper Graz bot Wilfried Zelinka als Daland eine stimmlich wie darstellerisch zwar statuarische, aber rundum befriedigende Performance – eine Art Rocco, den man bei aller Wagnerei mit Beethoven zu singen hören meint „Hat man nicht auch Gold beineben...“ Nun. Glücklich wird – Geld hin, Gold her – im Holländer keiner. Helena Juntunen als Senta hat außer exaltierten Spitzentönen den Anforderungen der Partie nicht viel entgegenzusetzten. Kyle Albertson ist ein charismatischer Holländer mit wohlklingender Mittellage, dessen Stimmsitz aber einfach zu viel zu wünschen übrig lässt. Ob seine aktuelle Senta – er darf ja alle sieben Jahre an Land, um eine opferwillige lebenslänglich treue Frau zu seiner Erlösung aufzustöbern – seinetwegen durch über Vorderbühne und Proszeniums-Loge „durchgeht“?
Eher wird die arme Senta von dem lästigen Richard Wagner-Gnom genervt, den die Regisseurin Sandra Leupold durch die Oper geistern lässt. Die Idee ist weder besonders neu, noch besonders erhellend, was die Motive der Figuren betrifft. „Wagner und die Frauen“ – Wagner der selbige wohl nur als „Ideal“ verkraften und von diesem Erlösung wovon auch immer serviert bekommen wollte – ist doch eher Thema der Sekundärliteratur, als blutvoller Oper. Der wuselnde Darsteller – Stephan Offenbacher macht das wirklich sehr gut – hat das Bedauern aller für seinen so undankbaren wie unnötigen Part.
Roland Kluttig am Pult der Grazer Philharmoniker stellt sich den Stürmen aus der Partitur so navigationskundig wie mannhaft. Sowohl die Mannen als auch die Spinnerinen von Chor & Extrachor der Oper Graz, Leitung Bernhard Schneider, leisten ihren ausbalancierten klangvollen Beitrag zum gefälligen Gelingen.
Der Fliegende Holländer – elf weitere Aufführungen von Mittwoch (27.4.) bis 12. Juni - oper-graz.buehnen-graz.com
Bilder: Oper Graz / Werner Kmetitsch