Oper ohne Grund und Boden
REST DER WELT / MÜNCHEN / DIE TRAGÖDIE DES TEUFELS
23.02.2010 Um es kurz zu machen: Das neue Werk von Peter Eötvös ist eine musiktheatrale Totgeburt. "Die Tragödie des Teufels" wurde an der Bayerischen Staatsoper uraufgeführt.Von Joern Florian Fuchs
Das erstaunt, da Eötvös nicht nur einer der bedeutendsten Tonsetzer der Gegenwart ist, sondern auch weil der Stoff eigentlich nach der Opernbühne schreit. Vorlage ist eine ungarische Faust-Variante von Imre Madách, die recht frei mit biblischen Motiven und mythischem Personal umgeht. Der vorwiegend als Lyriker wirkende Albert Ostermaier hat Madáchs Weltendrama als Ausgangspunkt für eine weitgehend wirre Textwüste benutzt: Die Handlung (so man von einer solchen sprechen mag) hangelt sich durch zwölf meist eher kurze Szenen und führt vom biblischen Paradies durch allerlei höllische Orte. Es geht nach Athen und Rom und weiter nach Bagdad und schließlich in ein Science-Fiction-Luxushotel. Am Ende befinden sich alle "Jenseits von Eden" (so der Titel der letzten Szene), Adam tötet die schwangere Eva und wendet sich seiner ersten Frau Lilith zu. Zuvor wanderten und mäanderten Soldaten, Kreuzritter oder 'Maschinenmenschen' durchs Bild, Luzifer schloss seltsame Wetten mit Gott und Adam ab, man schwadronierte über Glückspillen, die entweder Erlösung versprechen oder einen weiter an die irdische Welt binden - und so weiter und so fort. Ostermaiers Sprache wechselt ständig zwischen hohem und hohlem Ton, Gekünsteltes trifft auf Kunstvolles, Erhabenes auf Banales. Das Ergebnis: eine Librettokatastrophe, die auch die eher verständlichen Stellen oft zusätzlich verstellt.
Leider schrieb Peter Eötvös auch noch eine sehr uninspirierte, redundante Musik. Es gibt Schlagzeugattacken, abreißende Glissandi, schwere Liegetöne und viel, viel Orchesterklingeln. Das führt alles in allem zu wenig und es ist wirklich merkwürdig, was der einst so eloquente Komponist da ablieferte. Wie schon in seiner Oper "Tri sestri" spaltet Eötvös auch bei der "Tragödie des Teufels" das Orchester in zwei Gruppen auf, eine sitzt im Graben, die andere spielt, versteckt hinter einem Schleier, auf der Bühne. Das führt immerhin zu ein paar schönen Raumklangeffekten.
Weil aber weder Text noch Musik diesem Werk irgendeinen Grund und Boden geben, steht auch Regisseur Balázs Kovalik ziemlich hilflos da. Er hat sich von Ilya Kabakov eine große drehbare Treppe bauen lassen, die mit vermeintlich tiefsinnigen Symbolen beklebt ist: eine Kugel, ein Lasten schleppender Mann, ein Mensch an der Mauer. Die Treppe bricht rechts schroff ab und unter ihr sind zwei Torbögen ausgestochen. Das Opernpersonal darf fleißig treppauf, treppab hüpfen, sich verkriechen oder auch mal ein paar Turnübungen verrichten. Kleidungstechnisch ist alles dabei, was man sich zu den einzelnen Handlungsorten vorstellen kann, wobei glitzernd Futuristisches im Mittelpunkt steht.
Von ein paar einprägsamen Bildern und einigen illustren Klanggirlanden abgesehen ist diese Uraufführung ein veritabler Rohrkrepierer – und das trotz dem von Peter Eötvös und Christopher Ward exzellent einstudiertem Orchester sowie den durchweg guten sängerischen Leistungen. Besonders hervorzuheben sind Cora Burggraaf, Georg Nigl und Julie Kaufmann. Anders formuliert: Es ist die Tragödie des Duo Infernale Eötvös-Ostermaier.