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Mozarts Seelenexperiment beim Barista um die Ecke

REST DER WELT / GENF / COSÌ FAN TUTTE

12/05/17 David Bösch reüssiert in Genf mit einer Neuinszenierung von Mozarts Così fan tutte. Er lässt die Handlung in einer italienischen Bar in der sechziger Jahren spielen. Hartmut Haenchen sorgt für perfekt abgestimmte, geschärfte Töne aus dem Graben. Das Publikum jubelt.

Von Oliver Schneider

Dass die letzte Zusammenarbeit zwischen Mozart und Da Ponte alles andere als ein amüsanter Partnertausch in Sachen Liebe ist, nach dem man problemlos zu den ursprünglichen Geliebten zurückkehren kann, ist längst Gemeingut. So sieht es auch der auf den Opernbühnen gut beschäftigte David Bösch, der die „Così“ im Ausweichquartier der Genfer Oper, der Opéra des Nations, als fatalen Ausflug in die Abgründe der menschlichen Seele ohne Rückkehrmöglichkeit inszeniert hat.

Don Alfonso, der die beiden Offiziere Ferrando und Guglielmo zur Wette über die Untreue der Freundinnen hinreißt – oder vielleicht versteckte Begehrlichkeiten in den beiden wecken will – ist in Genf der Chef-Barista einer italienischen Bar in den sechziger Jahren, Despina die bei ihm angestellte Kellnerin. Falko Herold hat das Etablissement mit allen nötigen Details naturgetreu auf die Bühne gezaubert. Weder die Jukebox noch der Kickertisch fehlen. Ein idealer Ort, denn die Geschehnisse spielen sich innerhalb von 24 Stunden ab, und italienische Bars sind zu jeder Tageszeit der Treffpunkt schlechthin. Auch für Ferrando und Dorabella respektive Fiordilligi und Guglielmo. Schon auf den ersten Blick scheint aber zwischen den Paaren etwas nicht zu stimmen, würde doch – in der Genfer Besetzung – Dorabella größenmäßig und typmäßig unabhängig von Mozarts musikalischer Charakterisierung viel besser zu Guglielmo und Fiordilligi zu Ferrando passen.

Tränenreich werden die Offiziere von den Geliebten in den angeblichen Krieg entlassen, dessen grausamen Seiten der Kriegsveteranen-Chor in Erinnerung ruft (wenig homogen der von Alan Woodbridge einstudierte Chor des Hauses). Die von Alfonso herbeigeschafften Ersatz-Liebhaber sind bei Bösch zwei Rocksänger, die in den sechziger Jahren einen Aufbruch in eine neue Epoche markierten. Freilich, Guglielmos tätowierter Oberkörper ist ein kleiner Stilbruch, aber auch das darf sein. Genauso wie ein bisschen Slapstick im Laufe des Abends, der daran erinnert, dass Così fan tutte ein Dramma giocoso ist.

Das schnell aus den Fugen geratene Experiment Alfonsos läuft wie am Schnürchen ab: der angebliche Selbstmordversuch, die „Heilung“ durch den mesmerischen Doktor, das Zusammenfinden der neuen Paare nach anfänglichem Zieren und die komische Notarszene mit dem großen Scherbenhaufen zum Ende. Bösch hat für jeden Moment das richtige Bild gefunden, das sich dann auch bruchlos in die Gesamtkonzept einfügt. Schauspielerisch verlangt er seinem Ensemble Volleinsatz ab. Und man darf sagen: Alle sechs Protagonisten bringen sich mit Herz und Blut ein.

Besonders gilt dies für Monica Bacellis Despina, die auch als Doktor und Notar glaubhaft wirken muss. Bacelli setzt die Reihe der gereiften, lebenserfahrenen Despinas fort und liefert mit ihrem „In uomini, in soldati“ einen frühen musikalischen Höhepunkt.

Die beiden Schwestern sind mit Veronika Dzhioeva und Alexandra Kadurina für an die historisch informierte Aufführungspraxis gewohnte Ohren stimmlich ungewöhnlich üppig besetzt. Dzhioeva verfügt dabei über hervorragend verblendete Register und eine voluminöse Tiefe, die vielen Fiordilligis fehlt. Ihrer Arie „Come scoglio“ gestaltet sie mit viel Dramatik.

Von den Herren überzeugt vor allem Vittorio Prato als stimmkräftiger und charismatischer, gut phrasierender Guglielmo, während Steve Davislim als Ferrando in der besuchten Vorstellung in seiner „Aura amorosa“-Arie mit der Intonation und der Höhe kämpft. Die fast schon menschenverachtenden Züge, die Don Alfonso als Strippenzieher in Böschs Regiekonzept trägt, kommen in Laurent Naouris darstellerischer und stimmlicher Gestaltung zu wenig zur Geltung.

Schon in der Ouvertüre hält Hartmut Haenchen die sauber artikulierenden Musikerinnen und Musiker des Orchestre de la Suisse Romande zu knackigen Tempi und drahtig-klarem Spiel an. Partnerschaftlicher als an diesem Abend könnte es auf der Bühne und im Graben nicht zugehen. Erwähnt sei noch die sehr differenzierte Ausarbeitung der Rezitative.

Letzte Vorstellungen am 12. und 14. Mai 2017 – www.geneveopera.ch
Bilder: GTG / Carole Parodi

 

 

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