Bienenschwärme des Todes
MOZARTEUM / STADLER QUARTETT
31/10/12 War es das primär zeitgenössisch ausgerichtete Programm, das Dienstag (30.11.) weniger Hörer als sonst in den Wiener Saal lockte? Der harte Kern an Liebhabern jedenfalls zollte dem exzellenten Stadler Quartett begeistert Zustimmung.
Von Horst Reischenböck
Zu Beginn noch Franz Schuberts c-Moll-Quartettsatz D 703, aber mehr als bloße „Einübung“ und alles andere denn kulinarisch. Wie ein aufgeregter, unheilvoller drohender Bienenschwarm überfielen die schon geraume Zeit perfekt aufeinander eingeschworenen Herren das Auditorium. Eher unheimlich, fahl und auch in den als Kontrast angelegten lyrisch kantablen Passagen keine dazu wirklich aufhellende Aura verbreitend.
Schon darin machte sich der wohl seit Jahren nicht zuletzt auf zeitgenössisches Schaffen hin ausgerichtete Fokus des Ensembles mit den Geigern Frank Stadler und Iszo Bajusz, Predrag Katanic an der Bratsche und Cellist Florian Simma bemerkbar. Der Programmbogen verwies zielgerichtet auf das Hauptwerk, optisch durch Rotlicht verstärkt. George Crumbs zwanzigminütige „Black Angels“ beschloss so knapp vor dem terminlichen Totengedenken passend den Abend.
In diesem Stück treten dann nämlich „Electric Insects“ auf: bombenbestückte Hubschrauber als gleichsam kriegerische Killerbienen. Die drei Abschnitte sind hier auf die wohl als Unglückszahl angesehene Dreizehn aufgefächerten. Im Werk gibt es mannigfachen Anspielungen, wie das gleichsam „entkörperte“ Zitat von Schuberts „Der Tod und das Mädchen“ als Pavane der Tränen oder eine auf noch frühere Jahrhunderte zurückweisende Sarabande. Die Titel gebend aus dem Himmel „gefallenen Engel“ und dazu auch der Teufel, um die sich Alles dreht, sind eben stetig präsent. Demgegenüber besänftigt da dann die Musik Gottes kaum, wirkt wenig positiv – dies trotz der entmaterialisierten Gläserklänge. Die Ausführenden hatten obendrein das Tam-Tam zu schlagen und zu streichen und sogar zu sprechen. Ihre, wie gefordert, elektrisch verstärkte Töne verstörten dank dem ungenannt verbliebenen Mann am Mischpult im Grunde genommen eigentlich wenig. Alles in allem von der Ausführung her grandios und entsprechend bejubelt.
Schon davor hatte auch die Interpretation von „Ainsi la nuit“ begeistert, Es ist des mittlerweile 96jährigen Henri Dutilleux bislang einziger Beitrag zur Gattung Streichquartett, einst im Auftrag der Koussewitzki Foundation geschaffen und dem Juilliard String Quartet gewidmet, die sich das Werk jedoch erst ein Jahr nach der Uraufführung aneigneten. Seine durch sogenannte Parenthèses verklammerten Nocturnes sind sicherlich nicht zuletzt auch ein Spiegel der Seele des Komponisten: dunkel, abgründig, aufbegehrend bis in die zuletzt so erdacht, gefühlt aufgehobene Zeit hinein. „Ewigkeit, du Donnerwort“ – damit gewissermaßen auch auf Allerseelen hin orientiert.
Am kommenden Samstag (3.11.) ist Frank Stadler im Zyklus "Musik für junge Leute - grenzenlos" der Salzburger Bachgesellschaft Solist in Antonio Vivaldis "Die vier Jahreszeiten": um 16 Uhr im Orchesterhaus. - www.salzburger-bachgesellschaft.at