Eine „Haydn“-Arbeit
MOZARTEUMORCHESTER / TREVOR PINNOCK
19/10/12 Dank Ivor Bolton ist das Mozarteumorchester mittlerweile auch längst im Einsatz Sachen Joseph firm. Das beweisen sowohl die Oratorien wie auch die beiden jüngst auf CD erschienen vorletzten „Londoner“ Sinfonien. Auf dieser Haydn-Kompetenz konnte Trevor Pinnock, Erster Gastdirigent des Mozarteumorchesters, aufbauen.
Von Horst Reischenböck
So gesehen wäre es übrigens besser gewesen, das Konzert am Donnerstag (18.10.) im großen Saal des Mozarteums gleichsam „vom Schwanz her“ aufzuzäumen. Denn Franz Schubert in Ehren, aber seine 5. Sinfonie in B-Dur D 485 wirkte am Schluss des Konzerts trotz Bemühen aller Ausführenden, darin durchaus latent vorhandene dramatische Konflikte aufzuspüren, doch eben die eine Spur zu „lieblich“ oder verbindlich. Wie’s ihr ja auch zukommt.
Das Vorangegangen hatte eben mehr Gewicht, nicht bloß die kurzen, prägnante Ouvertüre zu Joseph Haydns Orpheus-Oper „L’anima del filosofo“ Hob. XXVIII:13. Sie ist anlässlich des zweiten England-Aufenthalts entstanden, so wie auch sein letztes Wort in Sachen Sinfonie (D-Dur Hob. I:104). Auch dieses Werk hat Impresario Peter Salomon angeregt, und deshalöb wird sie oft als „Salomon-Symphonie“ bezeichnet.
So wie etliche britische Kollegen setzte sich auch Trevor Pinnock schon vor über 20 Jahren intensiv mit Haydn-Sinfonien auseinander. Damals, vom Cembalo aus sein Ensemble The English Concert leitend, ging es um jene, die zwischen 1766 und 1773 entstanden waren. Auch Pinnock benötigt mittlerweile längst keine Originalinstrumente mehr, um die bis zuletzt ungebrochen innewohnende Kraft zu verdeutlichen. Dem Ideenreichtum, gepaart mit überraschenden Wendungen und garniert mit dem eben für Haydn typischen Humor.
Energiegeladen durchpulste er solcherart zusammen mit dem, von Konzertmeister Frank Stadler angeführt, blendend disponiert und animiert durch alle vier Sätze hindurch darin mitziehenden Mozarteumorchester. Zum Unterschied zu Ivor Bolton spielte man diesmal nicht ventillose, sondern konventionelle Trompeten. Eigentlich nur schade, dass Haydn somit wieder einmal am Beginn eines Programms stand, anstatt den ihm gebührenden Rang als Gipfel des Ganzen zukommen zu lassen. Denn retrospektiv betrachtet war das eigentlich schon ein absoluter Höhepunkt.
Pinnock huldigt neben Barock und Klassik einem weit gefächerten Repertoire – so waren mittendrin Zoltan Kodalys „Galántai táncok“, Tänze aus Galánta, zu hören. Ein hübscher Zufall: Sie wurden 1933 im selben Konzert in Budapest uraufgeführt wie Ernö Dohnanyis „Sinfonische Minuten“, die erst am Abend zuvor beim Kulturvereinigungs-Jubiläumskonzert im Großen Festspielhaus erklungen waren. Alle Achtung, wie sich die Musiker unter Pinnocks beflügelndem Taktstock voll Hingebung Kodalys Erinnerung an „Verbunkos“ widmeten. Werbetänze, die dieser in seiner Jugend als Sohn eines Bahnbeamten an der Strecke Wien–Budapest in sich aufnahm. Innerhalb der wieder einmal blendend disponierten Holzbläser erspielte sich Christoph Zimper, ein Neuer im Mozarteumorchester, Sonderlob: So, wie er sich einfühlsam dem Klarinettensolo ergab, hätte das sicherlich auch kein Ungar besser blasen können!