Symphonik für zwei Hände und zwei Füße
MOZARTEUM / ORGELKONZERT
18/04/12 Wäre er noch drin, würde sich der Liebe Gott möglicherweise im Grab umdrehen, wenn er hört, wie der Schweizer Komponist Guy Bovet eine kecke Volksliedmelodie der sakralen Königin der Instrumente anvertraut. Aber er sieht u nd hört die Sache glücklicherweise von oben, und da wird sich der alte Herr ein Schmunzeln wohl nicht verkneifen können.Von Reinhard Kriechbaum
Einem gewaltigen Tonschwall, vor allem aus der späten Romantik und dem frühen 20. Jahrhundert saß am Dienstag (17.4.) im Mozarteum leider nur eine Handvoll Hörer gegenüber. Schade vor allem deshalb, weil gerade dieser Musikbereich hierzulande wenig geläufig ist. Oder schon mal ein Kapitales Orgelwerk von Edward Elgar gehört? Der Engländer (1857-1934) wird in seiner Heimat gerade auch als Orgelkomponist geschätzt. Seine Sonata G-Dutr op. 28 ist eigentlich eine kapitale Orgelsymphonie, und nicht nur im ersten Satz glaubt man ein dickliches Harmonie-Geschiebe à la Brahms herauszuhören. Aber wie in dessen Symphonik gibt es viele Aufhellungen, Aufheiterungen, kammermusikalisch luzide Wendungen. Johannes Wilhelm hat da also aus dem Vollen schöpfen können.
„Voll“ bedeutet im Fall der Propter-homines-Orgel im Großen Saal, dass auch die vermeintlich wuchtigste Orgel-Symphonik nicht auf die Trommelfelle drückt. Das Instrument hält eine Fülle von grundtönigen Solostimmen bereit, die Spieler müssen also nicht die Zungenregister überstrapazieren und es lohnt alleweil, auch die Pfeifenreihen hinter der Schwell-Jalousie zu nutzen.
Vier Studentinnen und Studenten der Mozarteums-Ausbildungsklasse von Hannfried Lucke – Davide de Zotti, Johannes Wilhelm, Barbara Schmelz und Bettina Leitner – sind an dem Abend angetreten, um Orgelmusik vorzuführen, die aus der Kirche in den Konzertsaal führt. Regers Fantasie und Fuge über B-A-C-H op.46, ein Klassiker der Bach-Huldigung, natürlich nicht. Den kann man auf Kirchenorgeln oft hören. Aber Elgars Stück und auch das manchmal sehr an Mendelssohn’sche Melodie-Eleganz erinnernde „Grand Pièce Symphonique“ op.17 taugten nur mehr bedingt in der Liturgie, bestenfalls als "Hinausschmeißer". Marcel Duprè (1886-1971) hat das Staccato zum Stilmittel erhoben und als Meister der französischen Spätblüte vor allem auch fetzige Rhythmen eingebracht ins Hand- und Fußwerk der Organisten. Das hat schon was, auch wenn die Melodien dem Schatzkästchen von Lieschen Müller entnommen scheinen.
Wie die jungen Leute – Studenten zwar, aber alle auch schon konzertierend unterwegs – das alles gespielt haben? Lustvoll und musikantisch durchwegs, und mit hoch entwickeltem Sinn dafür, dass man als Organist heutzutage mit dem Bach/Reger-Horizont schon lange nicht mehr auskommt. Die schmähliche Besucherzahl an diesem Abend sollte sie nicht entmutigen: Es gibt glücklicherweise Gegenden, wo die konzertante Orgelmusik entschieden mehr nachgefragt ist als bei uns.