In der NS-Zeit geknickte Karrieren
FRAUENSTIMMEN
08/11/24 Auch Karrieren von Komponistinnen haben in der NS-Zeit durch Vertreibung, Ermordung und Ignoranz massive Einschnitte bis zur Vernichtung und Auslöschung erfahren: Eine von ihnen ist die Kinderlied-Komponistin und Jugendbuch-Autorin Ilse Weber.
Auch an sie wird in einem Konzert der Reihe Frauenstimmen morgen Samstag im Kardinal-Schwarzenberg-Saal (Kapitelplatz 3) mit dem Ensemble REIHE Zykan + erinnert. Ilse Weber kam in Auschwitz um. Durch die Recherche ihres Œuvres und die Neufassung ihrer nur skizzierten Melodien entstand ein neues Werk. Der Salzburger Komponist Michael Mautner hat die Motive aus den Partituren von ilse Weber komponierend-arrangierend zusammengeführt.
Die Gartenlieder von Fanny Hensel wiederum, sowie Cello-Klavier-Werke von Lera Auerbach und von Henriëtte Bosmans – die die NS-Zeit in Holland überlebte – ergänzen das Programm unter dem Motto Trostgesänge und Gartenlieder. Eine weitere neue Komposition: Ich von Elfi Aichinger auf Poesie von Ingeborg Bachmann.
Doch zurück zu Ilse Weber (1903–1944): Die tschechisch-deutschsprachige Schriftstellerin, Dichterin und Kinderliedkomponistin ist bekannt für ihre berührenden Gedichte und Lieder, die insbesondere während ihrer Internierung im Konzentrationslager Theresienstadt entstanden.
Zu ihren bekanntesten Liedern zählen u. a. das Schlaflied Wiegala oder Ich wandre durch Theresienstadt, das sie für ihren Sohn Hanuš geschrieben hat, den sie vor Ausbruch des Krieges in Prag in einen Zug gesetzt hatte, um ihn vor den Nazis zu retten. Im Februar 1942 wurde Ilse Weber mit ihrem jüngeren Sohn Tomáš in das Konzentrationslager Theresienstadt deportiert. Im Lager arbeitete Ilse als Krankenschwester und kümmerte sich um kranke und traumatisierte Kinder. Als die Kinderkrankenstube zur Deportation nach Auschwitz bestimmt wurde, meldete sich Ilse Weber freiwillig, um die kranken Kinder zu begleiten. Sie, ihr Sohn Tomáš und die anderen Kinder wurden gleich nach ihrer Ankunft am 6. Oktober 1944 im KZ Auschwitz ermordet.
In dem Konzert ist auch Musik von Hilde Loewe (1895–1976) zu hören. Sie war zuerst Pianistin und Begleiterin. 1919 begleitete sie zum ersten Mal den Burgschauspieler Raoul Aslan bei einem seiner Soloabende. Aslan war es auch, der sie motivierte zu komponieren. Der Wiener Bohéme Verlag veröffentlichte unter Hilde Loewes männlichem Pseudonym Henry Love ihre Schlager und Chansons. Viele der damaligen Tanzkapellen führten ihre Kompositionen auf, wobei besonders Das alte Lied berühmt wurde (es fand es im Film Der dritte Mann Verwendung). 1930 unternahm Hilde Loewe mit der Violinistin Alma Rosé – die 1942 verschleppt wurde und dann bis zu ihrem Tod das Mädchenorchester in Auschwitz leitete – zahlreiche Konzertreisen. Mit dem Maler Otto Flatter, den Hilde Loewe 1934 heiratete, emigrierte sie im gleichen Jahr noch nach Großbritannien.
Camilla Frydan, geb. Herzl (1887–1949) war eine österreichische Komponistin, Dirigentin, Sängerin, Textdichterin und Verlegerin. 1909/10 traf sie im Kabarett Fledermaus auf Egon Friedell, Peter Altenberg, Alfred Polgar und Oskar Friedmann, den sie 1910 heiratete. Zu dieser Zeit entstanden ihre ersten Kompositionen und sie dirigierte in Wien und Graz die Aufführungen ihrer Werke. Ihrem Auftritt im Kabarett Simpl folgte 1928 eine Tournee durch Deutschland und im Anschluss gründete sie in Berlin einen Verlag, um eine zweite Existenz aufzubauen. Sie war umtriebig auf Kleinkunstbühnen und schrieb Revuen. 1938 emigrierte sie in die USA. (Frauenstimmen/dpk-krie)