Fernes Trommeln aus der Nähe
FESTIVAL WØD- WEINBERG / OKUMIKAWA
28/10/24 Mit gegrätschten Beinen stehen sie da und heben die Schlägel mit einem Durchmesser deutlich über Daumendicke. Sie warten auf den Ruf, der den Auftakt gibt zum orgiastischen Trommeln. Das hat auch einen Touch von fernöstlichem Kampfsport. Vielleicht ist Taiko etwas für Menschen, denen Karate zu leise ist?
Von Reinhard Kriechbaum
Taiko heißt auf Deutsch „dicke Trommel“, lassen wir uns von Wikipedia belehren. Ein anschaulicher Name. Insider – und die in großer Menge am Samstag (26.10.) ins Orchesterhaus strömenden Fans der Gruppe Okumikawa sowieso – wissen ja offenbar alles über das rituelle japanische Trommeln. Jedenfalls war im Programmheft allerhand über den Solisten des Abends Takuya Taniguchi zu lesen, aber kein Sterbenswörtchen über die Bedeutung des Taiko-Trommelns. Neugierige werden bei Bedarf im Internet fündig.
Die Stücke tragen blumige Titel wie Umi no hana (Blühende Aura des Meeres), Odori Uchi (Tanzende Stücke) oder Sen no Kaikyo (Tausend Meeresklänge). In uns Westlern wecken solche Poesien nicht unbedingt die Erwartung an martialisch sich auftürmende Rhythmen der Fellinstrumente. Aber diese Musik aus dem fernen Osten hat dann ob ihrer Urkraft etwas, das auch uns spontan mitreißt.
Fernes Trommeln ganz aus der Nähe – das trifft es im Fall der Taikogruppe Okumikawa in jeder Hinsicht, denn ihre Musik kommt von weit her, aber das Ensemble ist in Laufen an der Salzach beheimatet, also nur einen Katzensprung von Salzburg entfernt. Man darf bei Okumikawa nun nicht an eine Beschäftigung mit Exotischem auf der Ebene „Bauchtanzkurs an der Volkshochschule“ denken. Das Bedienen der großen, beidseitig mit Fell bespannten japanischen Trommeln erfordert mächtig Energie und das Merken der rhythmischen Muster ein erhebliches Maß an Konzentration. Es ist also kein Wunder, dass die Trommel-Orgien der Truppe die Zuhörer zu standing ovations hinreißen. Christof Manhart, der selbst die Trommel rührende Leiter der Gruppe, hat sechs Leute um sich geschart (darunter zwei „echte“ Japanerinnen), vor deren Schlagkraft und Präzision man Respekt haben muss.
Sie arbeiten regelmäßig mit einem Schlagwerker, der das Ferne ebenfalls in der Nähe betreibt. Taiko-Mister Takuya Taniguchi – einer der sehr wenigen Solo-Taiku-Künstler weltweit, verrät das Programmheft – lebt in München. Als „Weltmusiker“ (auch das nicht abwertend gemeint) ist er blendend im Geschäft. Allein wie er in seinem traditionellen Gewand, das die erforderlichen Oberarm-Muskeln bestens zur Geltung bringt, vor der Riesentrommel Aufstellung nimmt, macht was her. Und würde man die Augen schließen, käme man gar nicht auf die Idee, dass da ein Musiker allein am Werk ist. Takuya Taniguchi hat auch noch Kapazitäten, quasi mit Links Becken, Tamtams und anderes schepperndes Blech zu bedienen. Das imponiert.
Wer mit dem Koto, der japanischen Zither, gezupfte Töne verbindet, wird von Taniguchi, der eben nicht nur Trommler ist, überrascht: Unter ihm wird das Instrument zum Hackbrett, dem er mit dünnen Schlägeln dichte und feine Harmonien entlockt.
Das Konzert fand im Rahmen des WØD- Weinberg-Festivals statt. Nicht unerwartet der bestbesuchte Abend an den vier Tagen. Einer der „Macher“ des Festivals ist der schon ewig lange in Salzburg ansässige Oud-Spieler und Komponist Hossam Mahmoud. Eine gemeinsame Improvisation von Takuya Taniguchi und Hossam Mahmoud war also nahe liegend. Oud heißt übersetzt Holz, was sehr simpel klingt für ein feines Instrument, aus dem sich die abendländische Laute entwickelt hat. Sollen Oud und Taiko zusammengehen, muss man das Lauteninstrument natürlich gehörig elektronisch verstärken.