Die Lieder der immer lächelnden Maria
CD-KRITIK / LES MARIES DU RHIN / MARIA JONAS
14/08/13 Morgen Donnerstag (15.8.) ist Maria Himmelfahrt. Aber egal, welche Jahreszeit gerade ist: Man wird wohl augenblicklich weihnachtlich gestimmt von dieser CD. Maria Jonas ist eine der Individualistinnen, was die Interpretation der Musik des späten Mittelalters und da speziell der marianischen Literatur angeht.
Von Reinhard Kriechbaum
Sie hat Gesänge aus dem Liederbuch der Anna von Köln („Rose van Jhericho“) aufgenommen, eine Marienvesper unter anderem mit Gesängen der Hildegard von Bingen zusammengestellt und sich ein andermal unter dem Motto „Canto novello: Maria“ volksprachlicher geistlicher Musik der oberitalienischen Städte im 14. Jahrhundert gewidmet.
Nach manchem Ausflug in die näher liegende und weiter entfernte Musik klösterlichen Singens (sogar einmal eine Kombination buddhistischer Gesänge mit Hildegard von Bingen!) ist Maria Jonas jetzt bei einer kleinen Handschrift gelandet, die im 15. Jahrhundert vermutlich in einem Frauenkloster nahe Utrecht entstanden ist. Die Sammlung ist in der Fachliteratur als „Berliner Handschrift 190“ bekannt. Lateinisches steht neben Volkssprachlichem (damit ist der mittelniederländische Zungenschlag der Zeit gemeint).
Warum für die CD der Titel „Les Maries du Rhin“? Der Begriff ist der Kunstgeschichte eingebürgert, steht für rheinländische Madonnenfiguren des 13. bis 15. Jahrhunderts. Ein liebliches Lächeln ist für diese Skulpturen typisch, ähnlich den „schönen Madonnen“ im süddeutsch/österreichischen Raum.
Dieses Lächeln vermittelt Maria Jonas hier durchgehend, obwohl die Gesänge selbst ganz unterschiedlicher Natur sind. Da sind etwa Stücke, die sich unmittelbar an den gregorianischen Choral anlehnen und solche, die als Tropen in das klassische liturgische Repertoire (etwa in die marianischen Gesänge „Ave Maris Stella“ oder „Alma redemptoris Mater“ eingefügt wurden. Und dann wieder ganz freie Lied-Dichtung, in der Maria in allen nur erdenklichen Sprachbildern besungen wird.
Maria Jonas lässt Harfe, Hackbrett, Dulcimer und Glöckchen sehr gerne klimpern und bimmeln. Das mag manchem Puristen deutlich zu viel des Guten sein, passt hier aber durchaus und gibt dem heterogenen Material eine verbindende Farbe. In der Hauptsache sind es Sologesänge, die von den Instrumentalistinnen von „Ala Aurea“ charismatisch umschmeichelt werden. In den Hymnen und Sequenzen vor allem kommt natürlich die famose Frauenschola „Ars Choralis Coeln“ zum Einsatz. Dass diese Gruppe auch mit charismatischen Einzelstimmen aufwarten kann, hört man im letzten Stück, in dem Maria mit einem Strauß aus fünf Blumen verglichen wird, Rose, Lilie und so weiter – eine jede natürlich mit hohem Symbolgehalt. Dieses vielstrophige Lied mündet direkt ins gregorianische „Ave Maria“, unterstreicht also nochmal die Nähe zum Gregorianischen Choral.