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Timotheus – wer?

CD-KRITIK / WIENER SINGVEREIN - NIKOLAUS HARNONCOURT

19/07/13 Ende November des Vorjahres feierte die Gesellschaft der Musikfreunde ihr 200jähriges Bestehen. Exakt am 29. November, dem Tag ihres allerersten Konzerts. Man spiele damals Händels „Alexanderfest“ in Mozarts Adaption, unter Nikolaus Harnoncourt.

Von Horst Reischenböck

Georg Friedrich Händels Original ist, Autor John Drydon 1736 gemäß, „Alexander’s Feast or the Power of Musick“ betitelt. Doch bereits Friedrich Chrysander vertrat die Ansicht, „Timotheus und Cäcilia“ wäre angemessener. Handelt es sich letztendlich doch um eine Verherrlichung der Heiligen. Wolfgang Amadé Mozart bearbeitete zwischen 1788 im Auftrag Baron van Swietens vier Werke seines Vorgängers, von denen bislang lediglich der „Messias“ KV 572 wieder ab und zu Eingang ins Repertoire gefunden hat. Diese Fassungen wurden von PHILIPS in der Mozart-CD-Gesamtausgabe 1991 übrigens alle ausgespart.

In der Mozart-Werkliste trägt die große Cäcilienode „Timotheus oder die Gewalt der Musik“ die Köchelnummer 591 (nach ihr fahndet man im Booklet der CD allerdings vergebens). Den Text hat Carl Wilhelm Ramler nachgedichtet. Er ist bekannt durch seine pietistische Karwochenode „Der Tod Jesu“, die sowohl Carl Heinrich Graun wie Bach-Sohn Johann Christoph Friedrich vertonten.

Der Wiener Singverein also, der in maximal möglicher Stärke angetretene Concentus Musicus: Angesichts der Großbesetzung griff Nikolaus Harnoncourt das erste Mal zu einem Takstock. Die Gesellschaft der Musikfreunde hat in ihrem Archiv das authentische, damals noch zusätzlich durch Ignaz Franz von Mosel erweiterte Notenmaterials. Auf Mosels Konto geht beispielsweise die von Mozart noch nicht vorgesehene, überrumpelnde Große Trommel. Natürlich griff Harnoncourt zu diesen Noten.

Harnoncourt setzte sich schon vor 35 Jahren während des Festivals „Pro Musica Antiqua“ mit Händels Original in Bremen auseinander. Das Konzert mit dem Bachchor Stockholm wurde damals von Radio Bremen aufgezeichnet. Im Vergleich dazu wirkt seine jetzige Deutung um Einiges bissiger, schärfer artikuliert und hinsichtlich der Dynamik bis an Grenzen etwa kaum mehr hörbaren Pianissimos ausgereizt. Das Klangbild ist logischerweise dank der zusätzlichen eingefügten Instrumente insgesamt fülliger.

Der Singverein präsentiert sich hier trotz umfangreichem Aufgebot als fulminant ausdrucksstark und wortverständlich. Auch die Solisten brauchen den Vergleich mit ihren Vorgängern – 1977 waren es Felicity Palmers, Anthony Rolfe Johnson und Stephen Roberts – nicht zu scheuen. Roberta Invernizzi steuert ihren Sopran gleichermaßen ausdrucksstark wie verinnerlicht, Werner Güra vermittelt entsprechend schlank tenoralen Glanz und Gerald Finleys Bass vermag absolut dem Originalklängen des orchestralen Widerparts Parole zu gebieten. In den Rezitativen hört man anstelle Orgel oder Cembalo (bei Händel) ein Hammerklavier aus Besitz der Gesellschaft der Musikfreunde. Wer’s wohl spielte?

Das alles ist also durch eine weit perfekter als vor Jahren wohl verfügbar gewesene Aufnahmetechnik verewigt. So wirkt der Live-Charakter noch mehr, zumal Harnoncourts kurzer Kommentar zu Beginn des zweiten Teils das Publikum aufforderte, den Refrain des Wach-Chors bei der Wiederholung dann aktiv mit zu gestalten: Nicht bloß ein Dokument des Moments, sondern auch eine Bereicherung, was unser Wissen um Mozart als Händel-Bearbeiter anlangt.

Händel/Mozart/Mosel: Timotheus oder die Gewalt der Musik. Roberta Invernizzi, Werner Güra, Gerald Finley, Singverein der Gesellschaft der Musikfreunde, Concentus Musicus Wien, Dirigent Nikolaus Harnoncourt. SONY 2 CDs 88883704812 - www.sonymusic.at

 

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