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The Rise and Fall of Lana Del Rey. Oder: Totgesagte leben länger

CD-KRITIK / HINTERGRUND / LANA DEL REY

17/02/12 Üppiger Schmollmund, Föhnwelle, ein schwerer Blick aus traurigen Rehaugen – aber die weiße Bluse ist bis zum Hals hin zugeknöpft. So präsentiert sich Lana Del Rey auf ihrem Debütalbum „Born To Die“. Ihre Erfolgsgeschichte könnte das Wort „Hype“ zum Unwort des Jahres machen.

Von Nina Ainz

Lana Del Rey ist seit Ende 2011 in aller Munde und in aller Ohren. Das Video zu ihrer ersten Single „Video Games“, ein spärlich instrumentierter, vor schwüler Sinnlichkeit triefender Song, der die Stimmung von längst vergangenem Hollywoodglamour einfängt, ist auf YouTube mittlerweile fast 28 Millionen Mal aufgerufen worden. In dem collagenartig zusammengebauten Clip, den die Sängerin selbst gemacht haben soll, sieht man unter anderem eine gewollt amateurhaft agierende Lana Del Rey, eine Vielzahl an US-amerikanischen visuellen Eindrücken der vergangenen Jahrzehnte und auf nostalgisch-antik getrimmte Skateboard-Videos. Mit einem Wort: Vintage. Das entspricht alles ganz der bildhaften Ästhetik einer Generation, die mit Instagram aufwächst und daran gewöhnt ist, das eigene Leben in Social Media Netzwerken und auf diversen Weblogs gekonnt in Szene zu setzen. Denn eines ist Lana Del Rey ohne Zweifel, auch wenn sie bei Interviews (vermutlich mit treuherzigem Augenaufschlag unter den schweren Kunstwimpern) stets das Gegenteil behauptet: eine nahezu perfekte Inszenierung.

Mittlerweile kennt jeder, der sich auch nur beiläufig mit Popmusik beschäftigt, die Vorgeschichte von Lana Del Rey. Geboren wurde die 25-Jährige in New York City, aufgewachsen ist sie im Wintersportort Lake Placid. Bis vor Kurzem versuchte sie noch unter ihrem richtigen Namen, Elizabeth Grant, ihre Karriere als Sängerin voranzutreiben. Damals waren die Haare noch ungeföhnt und blonder, die Wimpern kürzer und die Lippen schmäler. Und Lizzy Grant einem größeren Publikum unbekannter. Darauf folgte ein Neustart: Das erste Album „Kill, Kill“ wurde vom Markt genommen und die Karriere von der mittlerweile auf Lana Del Rey umbenannten Sirene mit neuem Manager ganz neu gestartet. Das Ende dieses modernen Märchens ist bekannt: Die ersten Singleauskopplungen „Video Games“, „Blue Jeans“ und „Born To Die“ öffneten Lana Del Rey Tür und Tor zur öffentlichen Aufmerksamkeit und ermöglichten ihr den Sprung auf die Titelseiten zahlreicher wichtiger Zeitungen und Magazine. Unzählige Redakteure sind bereits bis zum Abwinken der Frage nach ihrer Authentizität nachgegangen und viele haben ihr schon das frühzeitige Karriereende bedingt durch überbordenden Hype prognostiziert.

Mittlerweile ist es veröffentlicht, das lang erwartete erste Album von Lana Del Rey mit dem vielsagenden Titel „Born To Die“. In vielen europäischen Ländern führt es die Charts an, in den USA ist es immerhin auf Platz Zwei eingestiegen. Die fachlichen Meinungen dazu sind geteilt: Während es die einen als „anständige Popplatte“ bezeichnen (Die Zeit), bemängeln andere dessen Banalität (Süddeutsche). Auch die Live-Qualitäten von Lana Del Rey sind mittlerweile vielfach Spott und Häme zum Opfer gefallen: Ihr schwacher Auftritt in der US-amerikanischen Show Saturday Night Live im vergangenen Jänner hat einiges vom dick aufgetragenen Glanz und Glamour abblättern lassen. Live konnte Del Rey die Spannung von „Video Games“ nicht halten. Ihre unbeholfene Performance und die schwächelnde Stimme taten ihr übriges.

Doch zurück zu „Born To Die“: Ja, es ist ein grundsolides Popalbum. Wenn es eine Erwartung enttäuscht, dann die, darauf noch mehr Songs mit der Qualität und Ausstrahlung von „Video Games“ oder „Blue Jeans“ zu finden. Denn diese zwei sind die Aushängeschilder des Albums. Die restlichen Songs auf „Born To Die“ sind leider mehr „self styled gangsta Nancy Sinatra“ als „Hollywood Sadcore“ (beides Labels, die Lana Del Rey unentwegt aufgedrückt werden bzw. von ihr selbst in die Welt gesetzt worden sind). Getragen werden sie von elektronischen HipHop-Beats, großflächigen Streicherarrangements und der nach wie vor sehr einnehmenden Stimme Lana del Reys, die sich einmal im mädchenhaften Sprechgesang für den Liebhaber aufbrezelt („Off To The Races“) und dann wieder von diversen technischen Hilfsmitteln stark verzerrt nach Fiona Apple klingt („Million Dollar Man“). Manche Songs sind tatsächlich derart banal („Carmen“, „Dark Paradise“), dass man den Vermutungen mancher Kritiker, das Album wäre übereilt fertiggestellt worden, gern Glauben schenken möchte. Lyrischer Tiefstpunkt: „Kiss me hard before you go / Summertime sadness / I just wanted you to know / That baby you the best“ („Summertime Sadness“).

Inhaltlich sollte man als einigermaßen aufgeklärte Frau ohnehin eher weghören. Meistens wartet Lana Del Rey sehnsüchtig auf ihren Loverboy. Wenn er dann da ist, trägt sie ihr Make-Up auf und schlüpft in ihr rotes Kleid. Dieses rote Kleid ist überhaupt ein wichtiges Requisit in der Welt der White-Trash-Glamour-trifft-Hollywood-Diva, wie der sprichwörtliche rote Faden zieht es sich durch das Album. Weitere Nebendarsteller: Alkohol, Drogen, amerikanische Autos. Es geht um Money, Power, Success. Vor dem inneren Auge hat man dabei stets die Kunstfigur Lana Del Rey, koketter Augenaufschlag, rosarote Schlauchbootlippen. Sie erinnert stark an den Charakter der Angela Hayes aus Sam Mendes’ Film American Beauty. Typ Kindfrau, Highschool-Beauty-Queen, aus ihrer Unsicherheit speist sich ihre Stärke. Trotz allem scheint sie immer von einer Aura des Mysteriums umgeben zu sein.

Vielleicht ist es diese geheimnisvolle Aura Lana Del Reys, mit der sie den Unmut ihrer Kritiker auf sich zieht. Denn trotz allem, was wir über sie und ihre Karriere zu wissen glauben – sieht man Lana Del Rey, ob auf der Bühne, in ihren Videos oder in Interviews, sie wirkt immer unnahbar und undurchschaubar. Daran ändert auch das nunmehr erschienene Debütalbum wenig, auch wenn viele jetzt von einer Entmystifizierung sprechen. Was von all der Inszenierung ist Lana Del Rey, was Elizabeth Grant? Man darf gespannt sein, wie es mit Lana Del Rey weitergeht, jetzt da der Klimax ihrer Karriere scheinbar schon längst erreicht ist. Aber die Sängerin Elizabeth Grant ist bereits einmal gefallen – und sie ist wieder aufgestanden.

Bild: www.universalmusic.at (1)/


 

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